Die amtlich bekannt gegebene Formulierung der Frage für den Bürgerentscheid in Kernen um eine Aussichtsplattform in einem Naturdenkmal irritiert die Wähler. Wer nicht nachdenkt, wählt falsch.

Kernen - Mitunter wird das politische Leben komplex: Wer am Sonntag, 27. November, beim Bürgerentscheid in Kernen über den Aussichtssteg im Naturdenkmal „Sieben Linden“ abstimmen will, sieht sich mit einer verwirrenden Fragestellung konfrontiert. Ein Ja heißt, er will den Steg nicht. Und, schlimmer noch, ein Nein heißt, er will nicht, dass kein Steg gebaut wird. Die doppelte Verneinung bedeutet wieder Zustimmung zur neuen Plattform. Im Original heißt die Frage, die mit Ja oder Nein zu beantworten ist, tatsächlich: „Sind Sie dafür, dass kein Aussichtssteg auf dem Naturdenkmal ,Sieben Linden’ gebaut wird?“

 

Das Thema mit der bei Bürgerentscheiden häufig verdrehten Frage kommt gerade in diesen Tagen verstärkt in die Aufmerksamkeit in Kernen, weil Bürgermeister Stefan Altenberger in seinen „Amtlichen Bekanntmachungen“ die oben beschriebene, zur Entscheidung den Wählern vorzulegende Frage bekannt gegeben hat. In der nächsten Woche wird auch das offizielle Schreiben allen Haushalten zugestellt, in dem Befürworter und Gegner der Gartenschau-Attraktion ihre Beweggründe darstellen und die fünf Fraktionen und Gruppen im Gemeinderat Stellung beziehen.

Keine Einigung über eine neue Formulierung

Vor der Bekanntmachung gab es allerdings nochmals einen Kontakt zwischen den Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens und der Verwaltung, ob es nicht doch eine Möglichkeit gibt, eine andere Fragestellung zu wählen. Diese hätte das Ja und Nein zum Steg abbilden sollen statt einem Ja und Nein zum Gemeinderatsbeschluss über den Steg. Der Hauptamtsleiter in Kernen, Bernhard Bühler, hatte dies für denkbar gehalten. Die den Wählern vorgelegte Frage wäre dann aber noch weiter vom Text des vorausgegangenen Bürgerbegehrens abgewichen, wodurch Risiken in möglichen Rechtsstreitigkeiten befürchtet werden konnten. Es wurde bei den nochmaligen Überlegungen keine Einigung erzielt, es bleibt bei der schwierigen Fragestellung samt doppelter Verneinung. „Da stolpert jeder drüber, aber die Diskussion darüber ist jetzt müßig“, sagt Bühler auf Anfrage unserer Zeitung. Auch beim Bürgerentscheid über das Bahnprojekt Stuttgart 21 war die Fragestellung schon so verdreht.

Die Mitinitiatorin des Bürgerentscheids, Andrea Höchstädter sagt: „Wir konnten die Formulierung nicht total umändern. Wir hatten uns die Hände gebunden gefühlt.“ Hierbei hätten nur die drei Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens, außer Andrea Höchstädter noch Margret Thumm-Jorge und Martin Silber, mitsprechen können, was sie möglicher Kritik bei ihren vielen Mitstreitern ausgesetzt hätte.

Eine Panne im Gemeinderat verhindert einen klärenden Halbsatz

Die Formulierung im vorausgehenden Bürgerbegehren mit dem Ziel des Bürgerentscheids hatte noch, etwas klarer als jetzt, gelautet: „Sind Sie dafür, dass der Gemeinderatsbeschluss 137 A aufgehoben und kein Steg gebaut wird?“ Denn das Gesetz verlangt, dass das Bürgerbegehren sich in diesem Fall gegen einen genau benannten Gemeinderatsbeschluss richtet. Dieses Bürgerbegehren war von 1699 Unterschriften unterstützt worden. Davon waren nach Prüfung der Verwaltung 1643 gültig, mehr als das verlangte Quorum von etwa 900 Wählerunterschriften.

Der verdeutlichende Hinweis auf den angegriffenen Gemeinderatsbeschluss aus dem Bürgerbegehren musste allerdings wiederum aus rechtlichen Erwägungen für den Bürgerentscheid entfallen: Denn dieser angegriffene Beschluss stellte sich hinterher aufgrund vermuteter Befangenheit dreier Gemeinderäte als rechtswidrig heraus. Er wurde korrekt wiederholt, ebenfalls mit dem Ergebnis, dass der Aussichtssteg gebaut werden soll. Die bereits gesammelten Unterschriften wurden von der Gemeinde Kernen gleichwohl anerkannt als Bürgerbegehren gegen den neuen, wortgleichen Gemeinderatsbeschluss. In die Fragestellung des Bürgerentscheids wollten die Verwaltung und die Initiatoren des Bürgerentscheids das neuerliche Ratsvotum jedoch nicht übernehmen: „Die Frage hätte gestellt werden können, auf welchen Beschluss bezieht ihr euch jetzt?“, erläutert Andrea Höchstädter. „Also kamen wir zum Ergebnis, in der Frage an die Wähler den Gemeinderatsbeschluss wegzulassen, weil er keine Rolle mehr spielt.“