Die Mannheimer stimmen am Sonntag parallel zur Bundestagswahl auch über die Bundesgartenschau 2023 ab. Kurz vor dem Bürgerentscheid ist die Atmosphäre in der Stadt vergiftet. Das Grünprojekt soll die Stadtentwicklung fördern.

Mannheim - Seit Wochen tobt der Streit an Infoständen, auf Plakaten und in den Leserbriefspalten der Lokalzeitung „Mannheimer Morgen“. Gestritten wird über die Veranstaltung einer Bundesgartenschau in zehn Jahren. Die Frage, um die es geht, lautet leicht verkürzt: Soll Mannheim, mehr als 30 Jahre nach der erfolgreichen Bundesgartenschau von 1975, noch einmal zugreifen, um mit einem großen Grün-Projekt mit bundesweiter Ausstrahlung die Konversion bisheriger US-Flächen zu unterstützen und neue Akzente in der Stadtentwicklung zu setzten? Am Sonntag soll – parallel zur Bundestagswahl – ein Bürgerentscheid die Antwort bringen.

 

Noch vor einem Jahr hätte niemand daran gezweifelt, dass dabei am Ende ein klares Ja steht. Der Beschluss für das Projekt im Rat war einstimmig gefallen. Die großen Fraktionen, SPD, CDU und die meisten Grünen, stehen noch immer eindeutig hinter dem Vorhaben. Die Stadtspitze mit ihren Bürgermeistern sowieso. Die Bundesgartenschau sei „ideal geeignet, um die Konversion voranzubringen“, erklärte der Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) im Vorfeld der Entscheidung immer wieder und versuchte klar zu machen, dass es nicht nur um eine Veranstaltung für ein paar Monate gehen soll, sondern „um einen strukturierenden Prozess über Jahre hinweg“.

Kasernengelände soll Grünzug werden

Mit Hilfe des Bundesgartenschau werde „bis zum Stichtag 2023“ auf bisherigem Kasernengelände ein moderner Landschaftspark entstehen, an dessen Rändern man die in der Stadt dringend benötigten hochwertigen Wohnungen schaffen könne, ergänzte sein Stellvertreter, der Finanzdezernent und Erste Bürgermeister Christian Specht (CDU). Die Frage sei deshalb weniger, ob sich die Stadt das Projekt leisten könne, sondern eher die: „Können wir es uns leisten, die Bundesgartenschau nicht durchzuführen?“, meinte er.

Trotz dieser Argumente ist in den vergangenen Wochen vor und hinter den Kulissen die Sorge gewachsen, die Bürger könnten dem Rathaus einen Strich durch die Rechnung machen. Die Nervosität im Rathaus vor dem Wahltag ist groß. Die Freien Wähler und die FDP haben sich in das Lager der Gegner begeben. Nachdem sie dem Projekt ursprünglich zugestimmt hatten, haben sie – offenbar auch in dem Bestreben sich gleichermaßen gegenüber dem Oberbürgermeister wie der CDU zu profilieren – erstaunliche Allianzen mit Umweltschützern, dem BUND, selbst ernannten Wutbürgern und anderen Neinsagern gebildet.

Den Gegnern ist das Projekt viel zu teuer

Die Atmosphäre zwischen Befürwortern und Gegnern ist aufgeheizt. „Lügenpack“ haben die Kritiker auf die Pro-Buga-Plakate geschrieben und zu einer Menschenkette aufgerufen – die aber nicht übermäßig lang wurde. „Die Buga kostet nur unnötig Geld, wir brauchen sie nicht“, schimpfte der Sprecher der Mannheimer FWV-Fraktion Achim Weizel, bei einem großen Bürgerforum, das der „Mannheimer Morgen“ Mitte dieser Woche veranstaltet hatte. „Wir können sie uns nicht leisten“, sekundierte sein FDP-Kollege Volker Beisel. Die Fürsprecher der Schau seien nur Mitarbeiter und ehemalige Mitarbeiter der Stadtverwaltung „oder Lobbyisten, die sich von dem Projekt Aufträge erhoffen“, meinte Ursula Risch, die Sprecherin der Initiative „Mannheim 23 – keine Buga“.

Etliche, die den Bürgerentscheid im Gemeinderat freiwillig und mit großer Mehrheit auf den Weg gebracht haben, sind angesichts des Verlaufs der Debatte ziemlich erschüttert. „Der Ton ist inzwischen oft einfach daneben“, sagt der Geschäftsführer der Grünen-Fraktion. „Die Emotionen gehen hoch, mir wird das langsam etwas mulmig“, gesteht sein Kollege von der CDU.

Auch Xavier Naidoo ist für die Gartenschau

Entzündet hatte sich der Streit ursprünglich vor allem daran, dass die von der Stadt beauftragten Experten in der Machbarkeitsstudie für das Projekt neben dem Gelände der Spinelli-Kaserne teilweise auch das derzeit überwiegend landwirtschaftlich genutzte Landschaftsschutzgebiets der Feudenheimer Au einbezogen haben. Ein künstlicher See, den einige Planer dort ins Auge gefasst hatten, erregte die Gemüter zusätzlich. Nachdem Umweltschützer die Pläne aus ökologischer Sicht kritisiert hatten, gossen einige Befürworter noch Öl ins Feuer. Die Au sei doch bisher eine „ökologische Wüste“, spotteten sie.

Am Ende ging es dann bei den Kritikern kaum noch um die Chancen oder Nachteile des Projekts an sich, sondern nur noch um fehlende Gelder andernorts: bei der Instandhaltung von Schulen, Straßen, Bädern. Selbst der Leiter der Erfolgsschau des Jahres 1975 stieß deshalb ins Horn der Gegner: „Es kann nicht sein, dass man viel Geld für neue Anlagen ausgibt, wenn die alten vernachlässigt werden“, meinte er.

Im Rathaus ist man verhalten zuversichtlich, dass es eine Mehrheit gibt für das Projekt.Auch viele bekannte Mannheimer – von Xavier Naidoo bis zum Jazztrompeter Thomas Siffling – werben für ein Ja.