Der Pforzheimer Gemeinderat will nach dem gescheiterten Bürgerentscheid nun darüber beraten, ob der Busverkehr erneut ausgeschrieben wird – und in Bad Herrenalb jubeln die Befürworter eines millionenteuren Bäderprojekts.

Pforzheim/Bad Herrenalb - Die Enttäuschung ist groß in Pforzheim nach dem Bürgerentscheid vom Sonntag. Und zwar auf allen Seiten. Trotz intensiver Aufklärung, Bürgerveranstaltungen, Broschüren und Erklärfilm im Internet ist es nicht gelungen, genügend Bürger für das Thema Stadtbusverkehr zu begeistern. Die Wahlbeteiligung lag nur bei 21,8 Prozent – somit erwies sich das Quorum als unüberwindliche Hürde. Für ein Ergebnis hätten 25 Prozent der Wahlberechtigten positiv oder negativ abstimmen müssen. Nun liegt die Entscheidung beim Gemeinderat. Dieser wird noch im Dezember darüber beraten, ob er an seinem Beschluss vom Juli festhält und nach Auslaufen des Verkehrsvertrages im Jahr 2016 wieder einen privaten Partner für den Stadtbusverkehr sucht.

 

Dafür plädiert der Oberbürgermeister Gert Hager (SPD) auch nach dem gescheiterten Bürgerentscheid. Allerdings liegt bereits ein Antrag vor, dass der Gemeinderat dennoch das deutliche Mehrheitsvotum der abgegebenen Stimmen berücksichtigt. Gut 16 000 Bürger (85 Prozent) wollten, dass der Busverkehr als wichtige Aufgabe der Daseinsvorsorge wieder ganz in kommunale Hände geht. Nur 14,3 Prozent (gut 2700 Bürger) sprachen sich für die von Stadt und Gemeinderat favorisierte bisherige Lösung aus.

Die Veolia will nun vorzeitig aus dem Vertrag aussteigen

Seit 2006 ist der Stadtbusverkehr in Pforzheim – ebenfalls nach einem an der Wahlbeteiligung gescheiterten Bürgerentscheid – in einem „gemischtwirtschaftlichen Unternehmen“ organisiert, der SVP GmbH & Co.KG. Die Stadt hält 49 Prozent, die Veolia Verkehr Regio GmbH 51 Prozent. Die Verkehrsleistung ist in einem Vertrag geregelt, der im Dezember 2016 endet. Offensichtlich aber hat sich der private Partner übernommen bei dem Versuch, mit einem Kampfangebot in einer europaweiten Ausschreibung Fuß zu fassen auf dem kommunalen Verkehrssektor. Zur Zeit laufen Verhandlungen mit der Stadt, denn die Veolia will vorzeitig aus dem Vertrag aussteigen. Die SVP schreibt Verluste, die Rede ist inzwischen von einem zweistelligen Millionenbetrag. Dafür muss zu 100 Prozent die Veolia einstehen, die die Unternehmensführung und auch das betriebswirtschaftliche Risiko übernommen hatte.

Dass die Stadt an diesem Modell festhalten will, verwundert nicht: Das Angebot im Stadtverkehr habe sich seither verbessert, die Taktzeiten etwa, es gibt eine neue Buslinie sowie moderne Niederflurbusse, die den geforderten Umweltstandard unterschreiten, elektronische Fahrtanzeigen und weiterhin nach Tarif bezahlte Busfahrer, wird seitens der Stadt gelobt. Eine Reduzierung des Verkehrsangebotes aus Spargründen war ausgeschlossen.

Möglicherweise bis ins Frühjahr könnten sich Verhandlungen über die Ausstiegsmodalitäten mit dem bisherigen Partner hinziehen, heißt es. Das Ziel sei, dass die Stadt rückwirkend zum Jahresbeginn 2014 als alleinige Eigentümerin den Busverkehr managt, allerdings nur bis 2016. Bis dahin soll, sofern der Gemeinderat zustimmt, über eine europaweite Ausschreibung erneut ein privater Partner gesucht werden. Denn laut Kostenschätzungen spare die Stadt mit einem privaten Partner jährlich rund eine halbe Million Euro gegenüber dem Betrieb des Busverkehrs in Eigenregie. Da dieses Verfahren sehr zeitaufwendig ist, müssen laut Verwaltung jetzt die Weichen dafür gestellt werden.

Bürgermeister und Investoren jubeln in Bad Herrenalb

Für Bad Herrenalbs parteilosen Bürgermeister Norbert Mai war der Sonntagabend vermutlich so etwas wie eine vorweihnachtliche Bescherung. Beim ersten Bürgerentscheid in der Stadtgeschichte – und gleichzeitig der ersten direkten Wählerbefragung im Landkreis Calw – votierten knapp 62 Prozent der Abstimmungsteilnehmer für den von ihm favorisierten Bau einer gigantischen Bäderlandschaft. Das Projekt soll von privaten Investoren umgesetzt werden. Dabei soll im unteren Teil des Kurparks eine riesige Bäderlandschaft mit Familienbereich, Therme, Wellness und Sauna entstehen. Daneben sind eine Ladenzeile sowie zehnstöckige Hotels und ein Parkhaus mit 1500 Plätzen geplant. Als der Rathauschef am Sonntag Abend schließlich das Endergebnis bekannt gab, brandete Beifall auf.

Fast 3900 von 6100 Wahlberechtigten hatten an der Abstimmung teilgenommen, das sind mehr als 63 Prozent – und es war damit eine deutlich höhere Beteiligung als bei Wiederwahl, die Norbert Mai nach seiner ersten achtjährigen Amtszeit im Oktober 2011 mit 66 Prozent der Stimmen erfolgreich bestanden hatte. 2397 (knapp 62 Prozent) stimmten für das Wellnessprojekt, 1481 (etwa 38 Prozent) dagegen.

Die Spannung im Rathaus war schließlich dermaßen gelöst, dass sich die Investoren Thomas Kienle und Axel Feucht, der Biberacher Architekt Kuon und der Bürgermeister gegenseitig gleich mehrfach um den Hals fielen, was am Ende ein etwas eigentümliches Bild hinterließ. Mai sieht für sich und das Projekt nun enormen Rückenwind. Schon in den Wochen zuvor hatte sich der Gemeinderat stets einstimmig hinter das Projekt gestellt.

Doch noch immer besteht das Vorhaben, das inoffiziell mit einem Investitionsvolumen von etwa 160 Millionen Euro taxiert wird, vor allem aus Absichtserklärungen: eine rund 300 Seiten umfassende Machbarkeitsstudie ist bisher – außer dem Rathaus – nur den vier Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat zugänglich. Es handle sich „um das wirtschaftliche Eigentum der Investorengruppe“, heißt es. In den Tagen vor dem Bürgerentscheid am 1.Dezember hatte sich der Streit zwischen Befürwortern und Gegnern weiter zugespitzt. Tagelang wurde etwa darüber gestritten, wie hoch nun tatsächlich das Hotel auf dem künftigen Bauareal, dem Kurpark Schweizer Wiese werden solle: 72 Meter räumte am Ende die Stadt ein.

Die Befürworter des Projekts hatten im Vorfeld des Entscheids Dutzende von roten Transparenten und Hunderte von Plakaten aufgehängt – vor allem örtliche Geschäftsleute stehen hinter dem Projekt. In der Woche vor dem Bürgerentscheid hatte der Bürgermeister angekündigt, dass der Geldgeber der Investorengruppe „alsbald vor Ort persönlich auftreten“ würde. Eine Nachfrage am Sonntagabend, ob er inzwischen mit Schneider telefoniert hätte, musste Mai allerdings verneinen.