Ein Jahr nach seinem Amtsantritt stand Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn beim vhs-Bürgerforum Rede und Antwort zu zahlreichen Themen. Die Veranstaltung unter dem Motto „Wie geht Stadt?“ lockte viele Teilnehmer in den Treffpunkt Rotebühlplatz.

Stuttgart - Eine jüngst veröffentlichte Umfrage der Uni Hohenheim hat ergeben, dass der seit einem Jahr amtierende Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) bei den Bürgern ein gutes Ansehen genießt. Mehr als jeder zweite Bürger ist mit dem OB zufrieden. Er gilt als „charakterlich wertvoll und bürgernah“, wie SWR-Moderator Axel Graser beim jüngsten vhs-Bürgerforum im Treffpunkt Rotebühlplatz sagte. Auch mit seinem sympathischen Wesen hat Kuhn laut Umfrage gepunktet.

 

Auch viele Säuglinge und Kleinkinder sind dabei

Genau diesem vertrauenswürdigen Bild wurde Kuhn im randvollen Robert-Bosch-Saal des Treffpunkt Rotebühlplatz gerecht. Dort hatten sich am Freitagabend nicht nur politisch Interessierte eingefunden, sondern auch viele in Stuttgart geborene Säuglinge und Kleinkinder. Mit ihren Müttern und Vätern unterstützten sie die Forderung der Hebammen nach einem Stuttgarter Weg bei der Hebammenversorgung. Denn laut den Geburtshelferinnen fehlen nicht nur im Geburtshaus Mitte Hebammen, um das Haus noch offen halten zu können und werdenden Müttern bei der Geburt eine Alternative zur Entbindung in der Klinik zu bieten. Auch fehlten, so die Landesverbandsvorsitzende Jutta Eichenauer, mindestens 25 bis 30 Hebammen in der Stadt für die Vor- und Nachsorge. So sehr der OB die Sorgen und Nöte der Hebammen auch versteht, einen eigenen Stuttgarter Weg wolle und werde er nicht einschlagen. Der Grund: das Gesundheitsministerium dürfe nicht aus seiner Pflicht zur Finanzierung alternativer Geburtsmöglichkeiten entlassen werden. Vielmehr will Kuhn mit den Hebammen den Druck auf Gesundheitsminister Hermann Gröhe erhöhen – „und ich kann auch Frau Merkel anrufen“, scherzte der bundespolitisch erfahrene Rathauschef. Im Sozialgesetzbuch fünf sei die Wahlfreiheit bei der Geburt festgeschrieben, das müsse auch vom Bund umgesetzt werden. „Die Städte können da nicht einfach gegen den Bund agieren.“ Fritz Kuhn will bei Bedarf auch mit Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) reden, damit der Bundesrat eine Initiative startet. Bei einem Treffen mit Hebammen, das „schon übernächste Woche stattfinden könnte“, so der OB, wolle er aber Möglichkeiten für die Übergangszeit eruieren.

S-21-Gegner finden nicht den richtigen Ton

Auch S-21-Gegnern, die gekommen waren und das Tiefbahnhofthema in den Zentrum des Abends unter dem Motto „Wie geht Stadt? Ein Jahr OB Fritz Kuhn“ stellen wollten, bot der OB ein Gespräch an. „Meine Bedingung ist nur: ohne Schreien“, so Kuhn an die Projektgegner gewandt, die lautstark – gegen den Protest vieler anderer Forumsbesucher – die Diskussion ihres Anliegens und unmittelbare Antworten vom OB forderten. Der aber blieb entspannt, machte ob der aggressiven Stimmung vielmehr klar: „Ich denke, dass Sie mit diesem Stil niemanden überzeugen.“Überzeugt indes hat Kuhn, der verdeutlichte, dass er Mehrheiten sowie geltende Verträge akzeptiert, notfalls auch gegen die eigene Überzeugung. Beim Thema Stuttgart 21 ebenso wie beim Rosensteintunnel oder dem Bau des Gerber oder des Milaneo. Die Entscheidungen für den Bau dieser beiden Konsumtempel hält Kuhn für grundsätzlich falsch. Nun will er zumindest die Folgen mindern, die durch den zunehmenden Verkehr zu erwarten seien. Künftig, darauf ist der OB stolz, sollen Grundstücke der Stadt Stuttgart nicht mehr an die Meistbietenden verkauft werden. Vielmehr sei fortan das Konzept einer Bebauung ausschlaggebend dafür, wer den Zuschlag beim Grunderwerb erhalte. So soll vor allem eines erreicht werden: der Bau von mehr geförderten Sozialwohnungen.

Kuhn kandidiert für die Regionalversammlung

Auch wenn die Kultur, wie der OB auf Nachfrage des Moderators sagte, sein Lieblingsthema sei, so gehe es „am Ende des Tages nicht darum, was ich am liebsten mache“. Wichtig sei es, dringliche Themen anzugehen, wie die Reduzierung des Kraftfahrzeugverkehrs, des Feinstaubs, den Ausbau von Radwegen oder die Optimierung der S-Bahn. Wegen letzterem kandidiere er bei der Kommunalwahl auch für die Regionalversammlung.

Kritik, er habe im ersten Jahr kaum etwas von den im Wahlkampf gesetzten Themen auf den Weg gebracht, kann Kuhn nicht mehr hören. Zu glauben, „dass man Probleme von Mittwoch auf Donnerstag“ lösen könne, die zuvor über Jahre verursacht worden seien, sei naiv. Mittelfristig, davon ist er überzeugt, greife aber seine Politik. Und für die gelte es eben weiterhin die nötigen Mehrheiten zu gewinnen.