In 20 Jahren sind in der Gemeinde Weissach im Tal rund 20 Hektar bebaut worden, in Zukunft soll die Versiegelung ähnlich hoch sein. Muss das sein?

In Sachen Umweltschutz hat die Gemeinde Weissach im Tal schon in den 1990er-Jahren von sich reden gemacht. Beim Wettbewerb „Bundeshauptstadt für Natur und Umwelt“, an dem sich 223 Kommunen beteiligten, landete sie beispielsweise 1998 auf einem respektablen 20. Platz. Das ist schon eine Weile her – und dieser Tage beobachten etliche Bürgerinnen und Bürger die Pläne von Verwaltung und Gemeinderat für die Entwicklung Weissachs mit Sorge. Denn diese sehen vor, dass in den kommenden Jahren auf der Gemarkung bis zu 20 Hektar als Bauland ausgewiesen werden. Es stehe außer Frage, dass neben Baulückenschließungen und Verdichtungen neue Flächen für Wohnungsbau geschaffen werden sollten, heißt es in einer Vorlage für den Gemeinderat aus dem Jahr 2022 – „auch um den Gemeindehaushalt unterstützen zu können“.

 

Baulandverkauf soll Finanzlücken füllen

Letzteres Argument sei eines, das schon seit Jahren ins Feld geführt werde, kritisiert Reinhard Knüdeler, ehemals Vorstand der 2008 gegründeten Energiegemeinschaft Weissacher Tal: „Die Gemeinde hat ihre Haushaltslücken stets durch Baulanderschließung gestopft.“ Aus diesem Grund sei bereits in den vergangenen 20 Jahren extrem viel gebaut worden. Die dabei versiegelten rund 20 Hektar Fläche hätten der Kommune unter dem Strich aber gerade einmal 184 Einwohner mehr beschert. Ein großer Schritt gegen die große Wohnungsnot sei das wohl kaum, sagt Knüdeler. Seine Sicht ist: „Man will für Gutbetuchte die Möglichkeit schaffen, Geld anzulegen.“

Die Umwelt bleibe auf der Strecke, findet auch Peter Haußmann. Er klagt über Umweltgutachten, an die sich keiner mehr halte. „Da wird zum Beispiel ein Spielplatz aufgelöst und ein Investor darf ein Gebäude in die Frischluftschneise bauen, obwohl es etliche leer stehende Häuser im Ort gibt.“ Da brauche es dringend einen Paradigmenwechsel und neue Wege. Wichtig sei etwa, Wohnraum für Senioren zu schaffen, deren zu großes Haus dann eine Familie beziehen könne.

Ein Berater: „Weissach darf nicht Überlaufventil von Stuttgart sein“

Angesichts der Pläne zur Baulanderschließung sei ihr ganz schwindelig geworden, sagt auch Ingrid Teufel, die seit rund vier Jahrzehnten in Weissach lebt, Gemeinderätin war und derzeit im Ortsseniorenrat ist. Sie ergänzt, die nun gemeinsam gestartete Initiative „Offener Grüner Treff“ wolle die Gemeinde dabei unterstützen, weiterhin eine ökologisch orientierte Kommune zu sein. Mit im Boot ist auch Alexander Ludwig. Der Weissacher war acht Jahre Bürgermeister von Leinfelden-Echterdingen und ist inzwischen als Berater von Städten und Gemeinden tätig. „Es kann nicht sein, dass Weissach das Überlaufventil der Landeshauptstadt ist“, findet Ludwig. Und Dorothee Knaupp, die seit 40 Jahren in Weissach lebt, sagt: „Mir liegt sehr am Herzen, dass der dörfliche Charakter erhalten bleibt und nicht noch mehr Natur zerstört wird.“

Die Zweifel daran, dass Neubaugebiete die Wohnungsnot lindern können, teilt auch Stefan Flaig, der mit seiner Stuttgarter Firma Ökonsult Kommunen zur nachhaltigen Siedlungsentwicklung berät. Bei einem Vortrag in Weissach sagte er kürzlich: „Neubaugebiete auszuweisen, um die Wohnungsnot zu bekämpfen, ist so falsch wie den Spitzensteuersatz zu senken, um Geringverdiener zu entlasten.“ Was aber kann man tun?

Gesucht: Konzept zur Gemeindeentwicklung

Die Tendenz müsse zum Beispiel zu mehr interkommunalen Aktivitäten gehen, findet Reinhard Knüdeler. „Wir stehen ganz am Anfang“, sagt Ludwig – doch die Veranstaltung mit Stefan Flaig sei auf sehr großes Interesse bei jungen wie älteren Weissachern gestoßen. Mit ihnen wolle man einen „bunten Strauß an Möglichkeiten erörtern, um dann ein gut zugeschnittenes Konzept für die Gemeindeentwicklung zu bekommen“.

Veranstaltung Der „Offene Grüne Treff“ veranstaltet an diesem Donnerstag, 16. Februar, 20 Uhr, eine Zusammenkunft im Dorfhaus von Weissach-Bruch.