Die Kehler Verwaltungshochschule hat die bei Wahlen unterlegenen Kandidaten befragt. Die wissen meist gut, warum sie nicht bei den Wählern ankommen.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Kehl - Die Frage, warum ein Kandidat gewonnen hat, lässt sich zumindest teilweise auch beantworten, wenn man Folgendes untersucht: Warum ist der andere nur auf den zweiten Platz gekommen? Auf diese Art und Weise hat jetzt eine Projektgruppe an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl (Ortenaukreis) eine neue Studie über Bürgermeisterwahlen angefertigt und am Dienstag vorgestellt. Unter der Leitung von Rektor Paul Witt und der Lehrbeauftragten Christina Krause untersuchte das Team 30 Bürgermeisterwahlen im Zeitraum von April 2010 bis Oktober 2011 in Gemeinden zwischen 2000 und 20 000 Einwohnern. In allen Fällen war der bisherige Amtsinhaber nicht mehr angetreten, die unterlegenen Kandidaten mussten für die Untersuchung mindestens zehn Prozent der Stimmen gewonnen haben. Befragt wurden allerdings nicht die Wähler, sondern die unterlegenen Kandidaten

 

Eine groß angelegte Wählerbefragung sei in dem vorgesehenen Zeitraum gar nicht möglich gewesen. „Es war uns klar, dass wir dadurch ein besonderes Ergebnis bekommen würden“, räumt Rektor Paul Witt ein. „Aber es gibt bereits viele Studien über die Wahlsieger, wir haben diesen anderen Blickwinkel bewusst gewählt.“ Die Ergebnisse sind in der Tat äußerst aufschlussreich. Die Verlierer können offenbar im Kern gut einschätzen, warum sie bei den Wählern nicht „angekommen“ sind und was sie versäumt haben zu tun, auch wenn sie in anderen Aspekten „wenig selbstkritisch mit sich umgehen“, berichtet Witt.

Auswärtige sollen frischen Wind bringen

Auffallend ist, dass die Herkunft der Kandidaten wohl immer noch die Hauptrolle spielt. Tritt ein einheimischer gegen einen auswärtigen Kandidaten an, gewinnt der auswärtige. In 92 Prozent der untersuchten Fälle war es so. Die Bürger wollen offenbar lieber einen auswärtigen, also nicht durch familiäre, berufliche oder freundschaftliche Bindungen oder durch gemeinsame Vereinszugehörigkeit „belasteten“ oder befangenen Bürgermeister haben. Ein Auswärtiger soll frischen Wind in die Gemeinde bringen.

Andererseits soll er aber auch nicht so ganz fremd sein, wenigstens den gleichen Dialekt soll man aus seiner Sprache noch heraushören, aus der näheren Umgebung darf er – oder sie – schon stammen. Diese Mentalitätsverwandtschaft schafft offenbar Vertrautheit und Identifikation. Konfession, Alter und Familienstand sind im Vergleich dazu untergeordnete Faktoren, die über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Von den befragen Zweitplatzierten waren 28 Männer und zwei Frauen, zehn unter 45 Jahre alt und 20 über 45 Jahre alt. Im Durchschnitt haben sie – wie die Sieger auch – etwas über einen Euro pro Einwohner für den Wahlkampf ausgegeben.

WEr eine Schlammschlacht anfängt, hat schon verloren

Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist die Art und Weise, wie sich Kandidaten dem Wahlvolk nähern. Fair soll der Wahlkampf sein, wer eine Schlammschlacht anfängt, hat bereits verloren. Und nah an den Bürger soll der Kandidat kommen. Kandidaten, die auf Hausbesuche verzichteten, haben das schwer bereut. Die anonyme Ansprache durch verschiedene Medien, klassische wie Flyer oder moderne wie Facebook, genügt nicht, ist aber trotzdem unverzichtbar. Unzufrieden sind alle Verlierer mit den Printmedien. Diese hätten unsachlich und parteiisch berichtet, wurde als eine Rechtfertigung für das Scheitern angegeben. Dazu gehört auch, dass die Kandidaten sich meist für ebenbürtig mit dem Sieger ansehen und nicht in Erwägung ziehen, dass dieser vielleicht doch die bessere Wahl gewesen sein könnte.

Zuweilen kann auch alles in einem Moment umgestoßen werden: Ein Patzer auf der Podiumsdiskussion aller Kandidaten kann das Aus sein, ein starker Auftritt alleine dort ist hingegen noch keine Garantie für den Sieg. Gute Chancen haben immer noch diejenigen, die „Verwaltungserfahrung“ ins Feld führen können. Interessant auch, dass die Hälfte der Zweitplatzierten nicht noch einmal antreten wollen, nur ein Drittel kann sich vorstellen, noch einmal das Wagnis einzugehen und wenn, dann sind es meist die jüngeren Kandidaten.