Die Lokalmatadorin: Die Erste Beigeordnete will ganz an die Spitze einer Stadt vorrücken.

Rutesheim - Viele Worte braucht sie nicht, um sich vorzustellen. „Ich bin Susanne Widmaier“, sagt sie. „Und derzeit bin ich quasi das Pendant von Martin Killinger in Weil der Stadt.“ Ein zustimmendes Nicken bei der kleinen Zuhörerschaft in einer Rutesheimer Pizzeria. Killinger ist der omnipräsente und bei allen bekannte und beliebte Stellvertreter des Bürgermeisters in Rutesheim.

 

Eine wichtige Frage wäre daher noch offen. „Kommen Sie denn mit Herrn Killinger gut aus?“, will ein Zuhörer im Restaurant wissen. „Wir kennen uns gut“, antwortet Susanne Widmaier. „Die Zusammenarbeit mit ihm kann ich mir gut vorstellen.“

Martin Killinger war einer ihrer Ratgeber, seit sie im November 2014 als Bürgermeister-Stellvertreterin mit dem Titel Erste Beigeordnete nach Weil der Stadt gewechselt ist. Dieser Posten war dort mehr als zehn Jahre lang verwaist.

Ein gewaltiger Karrieresprung

Für Widmaier war das damals ein gewaltiger Karrieresprung in die kommunale Führungsebene. Aufbauarbeit war da gefragt, ihr eigenes Dezernat hat sie dort zusammengeschmiedet. Seitdem ist sie die Frau fürs Bauen, für die Ordnung, lange Zeit auch für Finanzen, sie ist Chefin von etwa 100 Mitarbeitern.

„Es macht mir Spaß, Mitarbeiter zu führen“, sagt sie heute, vier Jahre später. Führung war in der Tat gefragt, zeitweise waren fünf Stellen im Bauamt zu besetzen. Gleichzeitig arbeitet Widmaier im Duett mit dem Weiler Bürgermeister Thilo Schreiber mit Vollgas an großen Neubaugebieten. Auch für die nicht einfache Flüchtlingsarbeit ist sie zuständig.

Gegenwind blies ihr entgegen, als ihr Bauamt einen Schweinestall genehmigt. „Ich bin mit einem breiten Kreuz ausgestattet“, hatte sie im Dezember im Interview mit unserer Zeitung gesagt. „Zum Teil bin ich schon die Prügelmagd.“

Früher war sie extrem schüchtern

Ortswechsel. Mittlerweile ist der Bürgermeisterwahlkampf in Rutesheim in vollem Gange. Als Fototermin für dieses Porträt sucht sich Widmaier die Kinder- und Jugendabteilung der Bücherei aus. Lesen, Bildung, Kommunikation, das ist ihre andere. Sofort erzählt sie von Erinnerungen an ihre Kindheit, oder von der Zeit, als sie ihre beiden Töchter groß gezogen hat, die heute 22 und 24 Jahre alt sind.

Spuren lassen sich da entdecken, die die heute 51-Jährige am Sonntag womöglich bis an die Spitze einer Stadt führen können.

Zum Beispiel die Spur mit dem breiten Kreuz. Geboren ist sie in Mainz, schon nach sechs Wochen ziehen die Eltern mit ihr nach Aalen. Mit 14 dann ein Umzug nach Leonberg, da der Vater an die Vaihinger Materialprüfanstalt wechselt. „Ich war extrem schüchtern“, erzählt sie offen von dieser Zeit, bezeichnet sich selbst eher als „Randerscheinung“.

Wer nicht automatisch im Mittelpunkt steht, der muss sich durchboxen, der bekommt ein breites Kreuz. Geschickt flechtet Susanne Widmaier aber auch die Rutesheimer Spuren mit ein, wenn sie von ihrem Leben erzählt. Bei Bosch in Rutesheim arbeitet sie nach dem Abitur im Schichtdienst, genau auf der Fläche, die demnächst frei wird und als Zukunftsprojekt für den künftigen Rutesheimer Rathauschef gilt.

Stammkundin in einer Kinder- und Jugendbibliothek ist Widmaier wieder als junge Mutter. „Ich hab’ viel vorgelesen“, erinnert sie sich an diese Zeit. „Meine Töchter waren sehr wissbegierig und leistungsorientiert.“

Zu dieser Zeit wohnt sie in Flacht, in Rutesheim macht sie Besorgungen und pendelt zu ihrem Arbeitsplatz im Leonberger Rathaus. Anfangs ist sie dort die Assistentin der Frauenbeauftragten. „Damals habe ich mich intensiv mit Frauenthemen beschäftigt“, sagt sie.

Harmonie mit Martin Killinger

Wieder findet sich eine prägende Spur. Die führt Susanne Widmaier buchstäblich nach oben. In der fünften Etage des Rathauses wird sie persönliche Referentin des Oberbürgermeisters und Pressesprecherin der Stadt Leonberg. Irgendwann kommt ihr der Gedanke: „Ich kann noch mehr.“

Ein berufsbegleitendes Studium, der sogenannte Führungsmaster für die öffentliche Verwaltung, ist schließlich das Sprungbrett. 2011 beginnt sie in Ludwigsburg: 20 Stunden pro Woche büffeln, zusätzlich zur Vollzeitstelle. „Ja, in dieser Zeit gab es für mich nichts außer Arbeit und Studium“, erinnert sich Susanne Widmaier.

Neugierig und fleißig, so charakterisiert sie sich selbst. „Wissen ist für mich schon immer ganz wertvoll.“ 2014 folgt die Masterprüfung, da ist sie bereits Erste Beigeordnete in Weil der Stadt.

Jetzt also Rutesheim, als Chefin von Martin Killinger. Dass sie mit ihm harmoniert, das ist den Bürgern in der Pizzeria ganz wichtig. Am Sonntag wird sich entscheiden, ob diese Art von Harmonietest zustande kommt.