Am 20. Oktober wird in Bad Herrenberg eine neue Bürgermeisterin oder ein neuer Bürgermeister gewählt. 29 Namen stehen auf der Bewerberliste. Die Ernsthaftigkeit darf aber bezweifelt werden – schließlich steckt eine Satire-Partei dahinter.

Bad Herrenalb - Die Stadt Bad Herrenalb im Nordschwarzwald schickt sich an, landesweit Schlagzeilen zu machen: 29 Kandidatinnen und Kandidaten wollen dort auf dem Bürgermeistersessel Platz nehmen. Am Montagabend war Bewerbungsschluss, am 20. Oktober wird gewählt. Der Amtsinhaber Norbert Mai (parteilos) tritt nach 16 Jahren nicht erneut an. So viele Bewerber gab es bei einer Bürgermeisterwahl in Baden-Württemberg seit 2010 nur einmal: im Jahr 2013 in Rickenbach.

 

Norbert Mai meinte noch vor wenigen Tagen, die Vielzahl der Bewerber sei „auf die gute Infrastruktur, das optische Erscheinungsbild und die Aufenthaltsqualität“ der Kurstadt zurückzuführen. Doch offenbar steckt die Satire-Partei „Die Partei“ hinter dem Vorgang. Die Mehrzahl der Kandidaten kommt aus deren Reihen.

Max Braun, Vorstand von „Die Partei Karlsruhe“ und deren Sprecher, bestätigte dies. Etwa zwei Dutzend der Kandidaten kämen aus der Partei oder deren Umkreis. Keiner wohne jedoch in Bad Herrenalb; viele kommen aus so entfernten Orten wie Köln, Berlin, Bremen oder Wilhelmshaven. „Das war schon eine Art konzertierte Aktion hier im Land, die dann auch bundesweit Anhänger gefunden hat“, sagte Braun. „Das ist eben so passiert und wurde zum Selbstläufer.“ Man habe der Gemeinde damit etwas Gutes tun wollen, nachdem sie „in den letzten Jahren nicht gerade vom Glück verfolgt war“.

Der Amtsinhaber tritt nicht wieder an

Norbert Mai, der 2011 mit 66,1 Prozent für eine zweite Amtszeit gewählt worden war, hatte zwar mit dafür gesorgt, dass Bad Herrenalb im Sommer 2017 eine Gartenschau ausrichten konnte. Dennoch gab es immer wieder Kontroversen, etwa wegen zweier Bürgerentscheide 2013 und 2016. Vor sechs Jahren hatte ein ominöser Investor bis zu 100 Millionen Euro für den Neubau einer monströs wirkenden Bäderlandschaft angeboten – bis der Traum zerplatzte. Selbst die Kontoauszüge, die Seriosität beweisen sollten, erwiesen sich als gefälscht. 2016 und danach beschäftigten sich die Herrenalber und der Landtag mit einem möglichen Kreiswechsel – weg von Calw, hin zu Karlsruhe. Auch das blieb ein Wunschtraum.

„Bad Herrenalb ist ein wunderschöner Ort“, sagt der CDU-Stadtrat Christian Romoser. Die Stadt habe „überregionale Strahlkraft“. Doch Romoser gab schon vor Montagabend zu bedenken: „Die Hälfte der Bewerber nehmen Sie einfach mal weg, die sind nicht ernsthaft.“ Er war selbst zeitweilig als Kandidat im Gespräch – winkte aber ab.

Das mit der Ernsthaftigkeit sieht der 25-jährige Student und Kandidat Max Braun erwartungsgemäß etwas anders. Er sitzt seit 2014 für „Die Partei“ im Karlsruher Gemeinderat. „Wir wollen auf ein Phänomen aufmerksam machen, das sich im Englischen ‚parachute candidate‘ nennt“, sagt er, und am ehesten übersetzt wird mit „Fallschirmkandidaturen“. Das seien Kandidaten, „die nicht in der Gemeinde leben und keinen sonstigen Bezug haben“. Auf die Frage, ob mit der Massenkandidatur nicht die Mitarbeiter der Stadt in den Wahnsinn getrieben würden, sagte er: Es sei „eher ein Plus für die Demokratie, wenn wir Aufmerksamkeit für die Wahl schaffen und ein erhöhtes überregionales Medieninteresse“. Das Wahlrecht ermöglicht es: In Kommunen mit weniger als 20 000 Einwohnern brauchen die Kandidaten keine Unterstützerunterschriften.

Kandidatenvorstellung könnte zur Geduldsprobe werden

Bei der Stadt erwartet man nun „einen extrem langen Wahlzettel“, sagt der Sprecher Christian Siebje. Probleme sind zudem bei den vier Kandidatenvorstellungen zu erwarten – mit Start am 30. September. Zwar ist es unwahrscheinlich, dass alle Bewerberinnen und Bewerber anreisen – etwa aus Köln, Berlin, Kiel oder Wilhelmshaven. Doch selbst wenn sich nur zehn Kandidaten persönlich vorstellen wollen – von dieser Größenordnung ging der Hauptamtsleiter Ralph Götzmann vergangene Woche aus –, könnte das bei einer Redezeit von 15 Minuten zur Geduldsprobe für das Publikum werden.

Mancher Herrenalber sähe an der Spitze der Verwaltung gerne jemanden von außerhalb. Gerhard Geschwill etwa, der 2013 der Sprecher der Bürgerinitiative gegen die Bäderlandschaft war, wünscht sich „professionelle Sachkenntnis in der Verwaltung, dazu Souveränität und Fairness im Umgang“. Darauf setzt auch die bei der Bürgermeisterwahl 2011 unterlegene Sonja Feistauer (Grüne): „Ich wünsche mir die Wahl einer Persönlichkeit, die nicht eigene Interessen verfolgt, sondern das Potenzial Herrenalbs erkennt und die Stadt zukunftsfähig macht.“

All das dürfte bei den Satire-Kandidaten vermutlich nicht von vornherein anzutreffen sein. Gleichwohl versichert Jörg Lesser, Vorstandsmitglied des Kreisverbandes Karlsruhe von „Die Partei“: „Meine Kandidatur ist ernsthaft gemeint.“ Insgesamt aber kann man die ernsthaften Bewerber an einer Hand abzählen: die Herrenalber Kämmereiamtsleiterin Sabine Zenker, der Geschäftsführer der Karlsruher Tourismus GmbH, Klaus Hoffmann, der Karlsruher Rechtsanwalt Marc-Yaron Popper und der Unternehmer Egon Nagel.

Rekordverdächtige Bewerberzahl

Oft mangelt es bei Oberbürgermeister- und Bürgermeisterwahlen an Kandidaten. Seit 2010 hat es in den 1101 Gemeinden im Südwesten gerade einmal in zehn Fällen zehn Bewerbungen und mehr gegeben – unter anderem 2012 in Stuttgart (14), ebenfalls 2012 in Konstanz (13) sowie jeweils 2017 in Freudenstadt (13) und Schwäbisch Hall (12). Mit großem Abstand den „Rekord“ in dieser Zeit hält nach Angaben des Wahlexperten Thomas Schwarz, des Leiters des Statistischen Amtes der Stadt Stuttgart, die Gemeinde Rickenbach im Landkreis Waldshut: Bei der Bürgermeisterwahl 2013 waren 29 Kandidaten angetreten – so viele wie jetzt in Bad Herrenalb. Dort hat es übrigens schon einmal eine besonders hohe Bewerberzahl gegeben: im Jahr 1962, als 22 Männer Rathauschef werden wollten. Das Rennen machte Robert Traub, der dann bis 1996 amtierte.

Seit 1954 ist das im 12. Jahrhundert als Klosterdorf gegründete Bad Herrenalb anerkannter heilklimatischer Kurort. 1971 kam, nachdem in 600 Meter Tiefe eine Thermalquelle erbohrt wurde, der Titel „Bad“ hinzu. Heute zählt die im Kreis Calw gelegene Nordschwarzwald-Gemeinde rund 7800 Einwohner, etwa 4000 davon im Kernort Herrenalb selbst. In der Stadtmitte befinden sich auch die Reste der ehemaligen Zisterzienserabtei.