Bürgerrat Klima in Stuttgart Ein Jahr später – das ist aus den Empfehlungen geworden

Die Mitglieder des Gremiums übergaben ihre Empfehlungen im Sommer 2023 an OB Frank Nopper. Foto: Landeshauptstadt Stuttgart/Ludmilla Parsyak

Vor einem Jahr haben 61 zufällig ausgewählte, aber repräsentative Stuttgarterinnen und Stuttgarter Empfehlungen für Klimaschutz bis 2035 abgegeben. Was hat sich seither getan? Ein Check.

Was braucht es, damit Stuttgart bis 2035 emissionsfrei wird? Dazu hatte der Bürgerrat Klima, ein Gremium mit 61 zufällig ausgewählten, aber repräsentativen Bewohnern, 24 Empfehlungen erarbeitet. Im Sommer vor einem Jahr übergab der Bürgerrat Klima seine Empfehlungen an die Stadtverwaltung. Was ist seither geschehen, was wurde umgesetzt, abgelehnt, was wird noch diskutiert? Ein Check.

 

Superblocks: Zurückhaltung bei weiteren Projekten

Der Bürgerrat Klima hatte empfohlen, dass in Stuttgart bis Ende 2025 drei zusätzliche Superblocks, also autoarme Quartiere mit mehr Lebensqualität auf der Straße, geplant und umgesetzt werden. Dadurch solle mehr Raum für Radfahrer, Fußgänger und Grün geschaffen werden. Ein solcher Verkehrsversuch läuft bereits: im Stuttgarter Westen rund um die Augustenstraße. Bis Herbst 2025 soll dieser andauern.

Der Gemeinderat hatte sich Ende 2023 auf zwei zusätzliche Superblocks verständigt: einen im Süden an der Liststraße, einen im Osten zwischen Hack- und Metzstraße.

Nun heißt es jedoch von der Stadtverwaltung: „Drei Blocks bis 2025 umzusetzen ist nicht möglich, zumal erst Erfahrungen aus dem ersten Block in Stuttgart-West gesammelt werden müssen.“ Die Zurückhaltung der Stadt könnte auch mit der Skepsis von OB Frank Nopper (CDU) zusammenhängen. Dieser hatte nach der Einweihung des Superblocks an der Augustenstraße betont, dass er sich dafür einsetze, keine weitere Superblocks zu erschließen, solange der erste Versuch noch laufe.

Fünf Prozent weniger Parkplätze pro Jahr: Ablehnung

Die wohl am meisten diskutierte Forderung des Bürgerrats Klima war der Abbau von fünf Prozent an Parkplätzen jedes Jahr. Die Mitglieder hatten vorgeschlagen, dass dort Radwege, Begrünung oder Begegnungsorte entstehen. Dazu gab es keinen Beschluss im Haushalt vonseiten des Gemeinderats.

Und auch die Stadt wiegelt ab: „Ein pauschaler Ansatz von fünf Prozent jährlicher Reduktion an Parkplätzen ist nicht umsetzbar.“ Erklärt wird dies mit dem „Planungs- und Umsetzungsaufwand“, weil es eben nicht damit getan sei, nur Parkplätze zu streichen, sondern es auch Konzepte für die Flächen brauche.

Marcel Roth (Grüne) sprach in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Klima und Umwelt (AKU) von „Parkplatznostalgie“ seitens der Verwaltung.

Verbesserungen für den Radverkehr: nicht so schnell

Der Bürgerrat Klima hatte empfohlen, bis zum Jahr 2026 (oder schnellstmöglich) die Machbarkeitsstudie für zwölf Radialverbindungen und den City-Ring umzusetzen, wobei die Radwege vom Fuß- und Autoverkehr getrennt sein sollten.

Das bezeichnet die Stadtverwaltung als „nicht möglich“. Planungs- und Umsetzungsprozesse benötigten eine deutlich längere Zeit, heißt es. Allerdings seien Gelder und weitere Stellen beantragt – insgesamt 23,5 Stellen bis zum Jahr 2028 – , um das Thema beschleunigt zu bearbeiten.

Ioannis Sakkaros (CDU) bezeichnete im AKU den Ausbau der Radinfrastruktur generell als gut, „aber am besten auf Parallelstraße, nicht auf Hauptstraßen“, sagte er.

Parkraummanagement für die ganze Stadt: Ablehnung

In der Innenstadt sowie in einigen Außenbezirken kann nur mit einem Bewohnerausweis kostenlos geparkt werden, ansonsten müssen Autofahrer bezahlen. Der Bürgerrat Klima hatte empfohlen, dieses sogenannte Parkraummanagement auf die ganze Stadt auszuweiten.

Laut der Stadt geht dies aus rechtlichen Gründen nicht. Und mit derzeit rund 42 000 bewirtschafteten Parkplätzen und 50 000 Bewohnerparkausweisen liege Stuttgart bundesweit bereits mit an der Spitze, heißt es. Allerdings solle das Parken teurer werden: Von 2027 an sollen Bewohnerparkausweise für ein Jahr 50 Euro kosten statt wie bisher 30 Euro, von 2030 an 75 Euro.

Mikrohubs für den Personenverkehr: Zustimmung

Hierbei handelt es sich um eine Empfehlung, der die Stadtverwaltung uneingeschränkt zustimmt. Der Bürgerrat hatte vorgeschlagen, dass bis 2027 an mindestens fünf Knotenpunkten die Einrichtung von sogenannten Mikrohubs geprüft werden solle, wie es sie zum Beispiel an den Bahnhöfen Feuerbach und Vaihingen bereits gibt.

Mikrohubs sind Orte, an denen man verschiedene Fahrzeuge wie Fahrräder, Pedelecs, City-Roller, E-Scooter und Autos abstellen kann, zudem gibt es dort Ladesäulen, Carsharing-Fahrzeuge und Leihräder.

Bürgerbusse in den Außenbezirken: Zustimmung

Der Bürgerrat Klima hatte sich für den Einsatz von Bürgerbussen in den Außenbezirken über einen Probezeitraum hinweg ausgesprochen. Diese Busse sollten nach einem Fahrplan regelmäßig fahren, damit diese eine zuverlässige, niederschwellige Alternative zum Individualverkehr (mit dem Auto) darstellen, wurde empfohlen.

Von der Stadtverwaltung heißt es, dass sie dieser Empfehlung folgen und dies ausprobieren möchten. Zudem solle SSB Flex tagsüber erprobt werden. In Münster soll es bereits von Dezember 2024 an einen „kleinen Ortsbus“ geben.

Nachhaltige Wärmenetze: kein Einfluss

Für die Installation und den Betrieb von Wärmenetzen hatte der Bürgerrat Klima empfohlen, auf „nachhaltige Energie“ zu setzen – und dass die Stadt dabei auch die Energieversorger, wie die EnBW, in die Pflicht nehmen solle.

Dies geht laut Stadt aber nicht, weil die EnBW kein kommunales Unternehmen ist und somit nicht verpflichtet sei, Vorgaben der Stadt umzusetzen.

Infos zu Wärme: umgesetzt

In den Empfehlungen wurde der Wunsch deutlich, dass die Stuttgarterinnen und Stuttgarter mehr Planungssicherheit für die Zukunft ihrer Heizungen bekommen – und Infos über Wärmenetze und Wärmezentralen veröffentlicht werden.

Dies wurde umgesetzt. Zusätzlich zu veröffentlichten Informationen finden derzeit noch die letzten Infoveranstaltungen in den Bezirken zur Wärmewende statt.

Stimmen zum jetzigen Stand

Stellungnahmen
Der Grünen-Stadtrat Marcel Roth kommentierte die aus seiner Sicht bisher mangelhafte Umsetzungen der Empfehlungen mit: „Wir brauchen einen OB, der hier nicht als Bremsklotz auftritt.“ Lucia Schanbacher (SPD) sagte, dass sie es sich gut vorstellen könne, den Bürgerrat Klima zu wiederholen, „aber dafür ist es wichtig, jetzt auch etwas umzusetzen“. Und Hannes Rockenbauch (SÖS) betonte, dass der Bürgerrat Klima mit seinen Vorschlägen signalisiert habe, dass man „grundsätzlicher“ werden müsse, wenn man das Ziel bis 2035 erreichen wolle. (ana)

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