Lars Dewald aus Horb läuft fast immer und überall barfuß: Folge 34 der StZ-Gesprächsreihe „Bürgersprechstunde“.

Region: Verena Mayer (ena)
Horb - Ein uriges Fachwerkhäuschen mitten in der Altstadt. Davor ein bunt bemalter Campingbus. Darin, auf einem Sofa aus Großmutters Zeit, ein Mann ohne Strümpfe und Schuhe. Sein großer Zeh ist blau, ein Relikt vom letzten Musikfestival, wo Lars Dewald seinen Fuß nicht rechtzeitig in Sicherheit brachte. Macht aber gar nichts, versichert er – und beginnt zu schwärmen von seinen nackten Füßen.
Herr Dewald, erzählen Sie Ihre Geschichte!
Ich bin 32 Jahre alt und lebe in Horb a. N.ckar. Für die meisten, die mich das erste Mal sehen, ist klar, dass ich ein komischer Vogel bin. Ich habe Dreadlocks, trage meistens eine Zimmermannshose und laufe immer barfuß. Ich selbst halte mich allerdings für ziemlich spießig. Ich habe eine Familie und eine feste Stelle als Goldschmied. Es ist nicht mein Ansinnen aufzufallen. Das hat sich entwickelt. Ich habe herausgefunden, dass ich mich so gut fühle. Für mich gehörte Mut dazu, keine Schuhe anzuziehen – und nichts mehr auf komische Blicke anderer zu geben. Ich würde gerne allen Menschen Mut machen, die Ideen umzusetzen, die ihnen im Kopf rumschwirren. Oft ist die Vorstellung von etwas furchteinflößender als die Realität.
Wann haben Sie gemerkt, dass Sie Barfußlaufen so sehr lieben, so dass Sie es immer tun möchten?
Ich bin schon als Kind sehr gerne barfuß gelaufen. Meiner Mutter war das aber nicht geheuer, deshalb musste ich fast immer Schuhe tragen. Als ich mit 16 zu Hause ausgezogen bin, konnte ich tun, was ich wollte: auf Schuhe verzichten. Nur in die Schule habe ich mich barfuß nicht getraut. Da war mein Selbstbewusstsein noch nicht stark genug.
Was gefällt Ihnen daran, barfüßig unterwegs zu sein?
Wenn ich barfuß laufe, fühle ich mich leicht. Das ist ein ganz intensiver Sinnesreiz, viel stärker als Sehen oder Hören. Man spürt extrem viel, wenn man auf nackten Füßen unterwegs ist. Nicht nur, ob der Boden steinig ist oder glatt. Man kriegt einen vollständigeren Eindruck von dem Ort, an dem man sich befindet.
Gibt es einen Untergrund, auf dem Sie besonders gerne laufen?
Schnee. Wenn Neuschnee ganz frisch gefallen ist, das ist wunderschön. So weich und knurpelig. Mit einiger Barfuß-Erfahrung kann man sogar kalten von warmem Schnee unterscheiden.
Wie fühlt sich eine satte Sommerwiese an?
Die meisten Leute denken, durch Gras zu laufen, sei das Schönste überhaupt. Aber ich laufe überhaupt nicht gerne durch Gras. Da sieht man nicht, was einen erwartet. Vielleicht liegen dort Scherben oder Bienen krabbeln rum, die stechen könnten, vielleicht hat ein Hund sein Geschäft hinterlassen. Ich habe zwei Barfußregeln: Nicht durch Gras laufen und nicht auf öffentliche Toiletten gehen.
Sie könnten doch auch diese neumodischen Barfußschuhe anziehen.
Auf keinen Fall. Da ist man ja noch eingesperrter als in normalen Schuhen. Für jede einzelne Zehe gibt es eine Kammer. Nein, da graut es mir, wenn ich nur darüber nachdenke!
Barfußlaufen ist aber nicht ganz ungefährlich, oder?
Finde ich nicht. Wenn man auf normalen Wegen läuft, sieht man ja, ob da eine Scherbe liegt oder ein Hundehaufen. Ich habe meine Umgebung instinktiv immer im Blick. Wahrscheinlich trete ich seltener wo rein, wie jemand, der Schuhe trägt. Wenn mir was passiert, dann bei Kaugummi. Diese Knubbel sieht man nicht so deutlich. Das könnte auch ein Kieselstein sein, aber Kieselsteine sind keine Gefahr.
Müssen Sie sehr aufpassen, damit Ihnen niemand auf die Füße tritt?
Man lernt, die Füße rechtzeitig wegzuziehen. Ich gehe oft auf Musikfestivals und tanze jeden Pogo mit. Wenn ich klar bei Verstand bin, passiert da nichts. Und wenn versehentlich doch mal so ein Gorilla mit Stahlkappenschuh auf meinen Fuß springt, halte ich das aus.
Sie haben sich noch nie ernsthaft verletzt?
Doch. Einmal bin ich an einem Gewindebolzen hängen geblieben, der aus dem Boden ragte. Das war der Rest einer abgebauten Parkuhr. Und das andere Mal habe ich mir Eisplatten an die Füße gefroren. Ich war durch Streusalz gelaufen und danach in Schnee getreten. Aber wenn man mit Salz an den Füßen in Schnee tritt, dann reagiert das chemisch: Die Schmelztemperatur wird herabgesetzt und an der Fußsohle hat es plötzlich minus 25 Grad. Das hat sich angefühlt als würde ich auf glühenden Herdplatten stehen. Das war richtig blöd und sehr schmerzhaft.