Hannelore Zwanger ist 47 Jahre lang in einem typischen Männerberuf unterwegs gewesen: Teil 22 der StZ-Gesprächsreihe „Bürgersprechstunde“.

Reportage: Frank Buchmeier (buc)
Rottenburg - Über Hannelore Zwanger, 75, ist bereits einmal in einer Tageszeitung berichtet worden. Die „Rottenburger Post“ schrieb 1963 über die „einzige weibliche Omnibusfahrerin im Kreis Tübingen“, ihre „wohlgeformten Beine“ sowie ihre Hände, „die ins Lenkrad greifen und die Schaltung bedienen, doch sind sie auch gepflegt, und Schmuck steht ihnen wohl an“. Bis vor fünf Jahren hat Hannelore Zwanger täglich Passagiere durch ganz Deutschland und halb Europa chauffiert. Sie will erzählen, was sie als Frau in einem Männerberuf erlebt hat.
Frau Zwanger, erzählen Sie Ihre Geschichte!
Ich wurde 1940 hier in Rottenburg-Oberndorf geboren. Mein Vater war Kraftfahrer, nach dem Krieg hat er sich mit zwei Omnibussen selbstständig gemacht. Hauptsächlich brachte er die Arbeiter aus der Umgebung zum Daimler nach Sindelfingen. Ich musste als ältestes von vier Kindern früh mit anpacken, zum Beispiel dabei helfen, die Busse zu putzen. Nach der Volksschule schlüpfte ich in die Rolle einer Dienstmagd: Man brauchte in unserem Familienbetrieb jemanden, der folgsam alles tat, was man ihm sagte. Mit 18 machte ich den Pkw-Führerschein und merkte sofort, dass mich das Autofahren begeistert. Drei Jahre später habe ich die Prüfung für die Klasse zwei, also für Lastwagen, abgelegt und am 2. Mai 1963 schließlich die Lizenz zur Personenbeförderung erhalten. Am Vormittag war die Prüfung, am Mittag habe ich bereits Leute zum Daimler chauffiert.
Zu jener Zeit kam eine Frau am Steuer eines Omnibusses vermutlich einer Revolution gleich!
Eigentlich war es völlig undenkbar, dass ein Mädle wie ich ein so großes Auto fährt. Anfangs stutzten die Fahrgäste, die Männer überwachten wie Luchse jeden meiner Handgriffe, achteten auf meine Schalttechnik und so weiter. Die Pendler gewöhnten sich aber schnell daran, dass ich sie zum Werkstor fuhr und dort auch wieder abholte. Besonders freundlich waren sie nicht zu mir, das hatte aber weniger mit meiner Person zu tun, sondern schlichtweg damit, dass sie müde waren. Die Reisegruppen, die ich bald darauf auch gefahren habe, waren fröhlicher.
Mussten Sie sich blöde Sprüche wie „Frau am Steuer – Ungeheuer“ anhören?
So etwas kam vor. Ich kann mich beispielsweise daran erinnern, wie ich eine Schreinerinnung gefahren habe und ein älterer Herr rief: „Oh je, da gehe ich nicht mit, wenn ein Weib hinterm Lenkrad sitzt.“ Noch größere Vorbehalte hatten die Kollegen. Normalerweise helfen sich Busfahrer gegenseitig, winken sich in enge Parklücken. Mich haben sie oft ignoriert. Es hat sich auch mal ein Busfahrer bei mir beklagt, dass ich den Männern ihr Geschäft wegnehmen würde. Sie müssen bedenken, dass es seinerzeit keineswegs selbstverständlich war, dass eine Frau ihr eigenes Geld verdient – und wenn doch, dann als Sekretärin oder Krankenschwester, aber nicht als Kraftfahrerin.
Hat Ihnen Ihr Vater diesen Job gleich zugetraut?
Wir haben über meine Berufswahl nie geredet, sie hatte sich einfach so ergeben. Ich weiß noch, dass es meinem Vater nicht ganz wohl war, als ich eine Ausflugsgruppe mit einem Gelenkbus in den Schwarzwald chauffierte. Als ich über dem Kniebis war, musste ich ihn von einer Telefonzelle aus anrufen – darauf hatte er bestanden. Er befürchtete offenbar, dass mich die engen Serpentinen überfordern könnten. Haben sie aber nicht. Anschließend durfte ich dann auch Gruppen in die Alpen fahren, ins Tannheimer Tal oder in die Silvretta. Später war ich viel in der Schweiz unterwegs.