Die Mehrzahl der Lebensbereiche schneidet in der Bewertung schlechter ab als 2019 und als vor zehn Jahren. Weniger als 80 Prozent leben gern in der Landeshauptstadt.

Stuttgart - Von April bis Juni 2021, also in der dritten Welle der Coronapandemie, hat die Stadtverwaltung die Bürger zur Lebensqualität und ihrer Zufriedenheit mit ausgewählten Bereichen befragt. Das Meinungsbild wird in der Landeshauptstadt seit 1995 alle zwei Jahre erhoben. Erstmals haben bei einer Bürgerumfrage weniger als 80 Prozent der Antwortenden angegeben, dass sie gern in Stuttgart leben.

 

Die Frage könne ein wichtiger Indikator für die langfristige Integration in die Stadtgesellschaft sein, reflektiert werde die emotionale Verbundenheit mit Stuttgart als Wohnstandort, heißt es beim Statistischen Amt. Mit einer Deutung der nun 79 Prozent (2019: 81, 2007: 88 Prozent) hält sich Amtsleiter Matthias Fatke zurück. Man habe 2021 ein von der Coronavirus-Pandemie geprägtes Stimmungsbild erfasst, so Fatke. Mehr als jeder Zweite (54 Prozent) berichtete von starken oder sehr starken Belastungen durch die Pandemie.

Bedrückte Grundstimmung durch Corona

Möglich, dass diese Grundstimmung auf die Zufriedenheitswerte von 29 abgefragten Lebensbereichen abfärbte. Im Vergleich mit der 2019er Umfrage, noch stärker aber im Zehn-Jahres-Vergleich, zeigt sich eine zurückgehende Zufriedenheit. Das Statistikamt übersetzt vier Kategorien der Zustimmung oder Ablehnung in ein Kommunalbarometer, dessen Skala bei 100 Punkten („sehr zufrieden“) endet. Bei weniger als 50 Punkten überwiegt die Unzufriedenheit.

Spitzenreiter in der Kategorie der Kellerkinder ist wie 2019 mit Abstand das Wohnungsangebot, mit dem nur 26 Prozent der 3906 Menschen, die den Fragebogen zurücksandten, zufrieden sind. Weniger als 50 Punkte sammelten auch die Parkmöglichkeiten in der Innenstadt (36), die Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge (37), die Regelung des Autoverkehrs (41), Parkmöglichkeiten im Wohngebiet (44), die Situation für Radfahrer (45) und die Luftqualität (48 Punkte) ein. Allerdings gab es mit Ausnahme der Ladeinfrastruktur (Abnahme um vier Punkte) für fast alle dieser Lebensbereiche bessere Bewertungen als 2019, nur die der Parkmöglichkeiten im Wohngebiet blieb gleich.

Wohnungsnot und Straßenverkehr nerven

Die Zufriedenheit korrespondiert mit der Frage nach den größten Problemen in Stuttgart. Unter 32 Möglichkeiten gab es keine Verschiebung auf den ersten fünf Plätzen: Zu hohe Mieten (86 von 100 Problem-Punkten, 2019: 86) rangierten ganz vorn, gefolgt vom mangelhaften Wohnungsangebot (82/84), zu viel Straßenverkehr (71/80, hier wirkte sich die Pandemie offensichtlich stark aus), zu vielen Baustellen (68/71) und zu wenig Parkmöglichkeiten (67/70).

Starke Veränderungen in der Rangfolge der Problemtabelle gab es beim Nahverkehr, der sich hinter Grün- und Parkanlagen und den Einkaufsmöglichkeiten auf Rang drei der kleinsten Misslichkeiten schob. Sehr viel deutlicher als 2019 als Problem wahrgenommen wird von den Stuttgartern „zunehmender Rechtsextremismus“ (auf Platz sechs aller Probleme) und „zunehmender Linksextremismus“, der von Rang 29 auf 23 stieg.

Skepsis zum neuen Bahnhof bleibt

Auch die „angespannte Haushaltlage“ wurde auf Rang 20 stärker wahrgenommen als 2019 (26). Bei der Frage nach Einsparmöglichkeiten gibt es allerdings nur zwei Bereiche, in denen die Bürgerinnen und Bürger den Rotstift ansetzen würden: bei der Stadtbibliothek, wo der Wunsch nach Einsparung den nach Zusatzausgaben um einen Prozentpunkt überragte, und dem Straßenneubau, für den 35 Prozent weniger als bisher einplanen würden. 25 Prozent würden für Straßen mehr Geld ausgeben wollen.

Nur zu zwei Großthemen holt die Stadt durchgängig seit 1995 die Meinung der Bürger ein, viele weitere kamen seitdem dazu. Bei Stuttgart 21 hielten sich 2021 die Ablehnung und Zustimmung mit 50 Punkten die Waage, damit verbesserte sich die Bewertung gegenüber 2019 (44 Punkte) deutlich. Bei der geplante Parkerweiterung und den Möglichkeiten für den Wohnungsbau auf dem Gleisgelände überwog die Zustimmung mehr oder weniger stark (72/55 Punkte), beim Bahnhofsneubau lagen die ablehnenden Stimmen knapp vorn (49 Punkte).

Mit der Zufriedenheit geht es bergab

Insgesamt überwiegt bei den 29 abgefragten Bereichen auch 2021 die Zufriedenheit, nur sieben erreichen weniger als 50 Punkte. Allerdings erhielten 14 eine schlechtere Bewertung als 2019, neun verbesserten sich. Betrachtet man die Meinungsänderungen seit 2011, dann schnitten sogar 15 von 23 Lebensbereichen bei der Zufriedenheitsfrage schlechter ab, nur vier verbesserten sich.

Sind die Zustände objektiv schlechter geworden, oder wächst das Anspruchsdenken? Die größten Aufsteiger bei der Zufriedenheit sind seit 1995 die öffentliche Sicherheit (35, nun 64 Punkte), Spielmöglichkeiten für Kinder (40/63) und Kindergärten (37/57 Punkte). Verglichen mit 1995 gibt es nur zwei Absteiger, neben dem Wohnungsangebot ist das die Gestaltung und Attraktivität der Innenstadt, die nur noch 52 Punkte erhielt.