Manches wäre auf dem Weg zur Bürgerversicherung zwischen Union und SPD zu lösen – aber es gibt auch handfeste Konflikte.

Berlin - Wird die Bürgerversicherung für die Unterhändler einer großen Koalition das, was die Obergrenze für die Jamaika-Sondierer war – ein ideologisch aufgeladenes Symbolthema? Jedenfalls würde sie ein zentraler Punkt der Verhandlungen. Darum geht es: Heute sind 72 Millionen Bürger gesetzlich krankenversichert. Knapp neun Millionen sind privat versichert. Abhängig Beschäftigte mit weniger als 4350 Euro Einkommen im Monat müssen sich gesetzlich versichern.

 

Beamte, Pensionäre, Selbstständige müssen sich in der Regel privat versichern. Sie sollen nach dem Willen der SPD künftig selbst entscheiden, wo sie sich versichern. Wer sich erstmals versichert, müsste direkt in die GKV. Alle Einkommensarten sollen zu den Beiträgen herangezogen werden. Eine einheitliche Honorar-Ordnung soll die Gleichbehandlung aller Patienten garantieren. Das ist die Idee. Die Verhandlungen zwischen Union und SPD würden sich vor allem um diese Punkte drehen:

Gebühren

Im Krankenhausbereich gibt es schon gleiche Preise für Behandlungen privat und gesetzlich Versicherter. Niedergelassene Ärzte verdienen aber an Privaten mehr. Das führt zu den unterschiedlichen Wartezeiten, zum Werben um Private, auch dazu, dass bestimmte Regionen, etwa Großstädte mit gut verdienenden Publikum für Ärzte attraktiver sind als ländliche Regionen. Deshalb will die SPD die Angleichung der Gebührenordnung. Die Union könnte da mitmachen. Allerdings ergibt sich da ein neues Problem.

Beitrag

Sollen die niedergelassenen Ärzte keine deutlichen Einkommenseinbußen erleiden, müssten die Sätze bei den Gesetzlichen steigen und das System verteuert sich. Deshalb will die SPD die Heranziehung aller Einkommensarten zu den Beiträgen. Heute werden nämlich nur die Einkommen aus abhängiger Beschäftigung bis zur Bemessungsgrenze von 4350 Euro herangezogen, nicht aber Zinsen, Dividenden oder Mieteinkünfte. Darüber wird es zwischen Union und SPD Streit geben. Vor allem die sogenannte Verbeitragung von Mieteinnahmen lehnt die Union bislang vehement ab – gerade, wenn fällige Investitions- oder Reparaturkosten nicht gegengerechnet würden. Die SPD will zudem die Bemessungsgrenze heraufsetzen.

Beamte/Selbstständige

Beamten eine echte Wahlmöglichkeit einzuräumen, wäre eine Revolution. In Hamburg hat der Senat das ermöglicht. Dort übernimmt das Land für gesetzlich versicherte Beamte die Hälfte des GKV-Beitrags. Der Bund kann das nur für seine Beamten regeln. Deshalb wäre eine Reform in den Auswirkungen überschaubar. Ausgeschlossen wäre eine Einigung hier also keineswegs. Die SPD möchte zudem erreichen, dass Selbstständigen in der GKV nicht mehr grundsätzlich ein Einkommen mindestens in der Höhe der Beitragsbemessungsgrenze unterstellt wird. In der Praxis führt das dazu, dass viele Selbstständige in der GKV überhöhte Beiträge zahlen müssen.

Altersrückstellungen

Das ist der technisch schwierigste Punkt auf einem Weg zur Bürgerversicherung. Zur Minderung vom Beitragslasten im Alter bilden privat Versicherte so genannte Altersrückstellungen. Die belaufen sich derzeit auf 233 Milliarden Euro. Das sind Vermögen der Versicherten, die langfristig von den privaten Versicherungen angelegt sind. Für Neukunden nach 2009 ist diese „Portabilität“ wenigstens innerhalb der PKV geregelt. Was mit den Rückstellungen der Altkunden, erst recht bei einem Wechsel in die gesetzliche Versicherung, geschieht, ist ein noch ungelöstes Problem.

Parität

Die genau hälftige Finanzierung der Beiträge zur GKV durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer wurde schon 1951 eingeführt. 2015 wurde der Arbeitgeberanteil auf 7,3 Prozent eingefroren. Steigerungen, etwa durch den medizinischen Fortschritt, müssen durch die Beschäftigten und Rentner allein aufgebracht werden. Im Grunde ist auch der Union klar, dass dies nicht auf alle Zeit so bleiben kann. Hier ist eine Einigung durchaus möglich: Mindestens auf einen Grenzwert, über den hinaus wieder zur Parität zurückgekehrt werden muss.