Die selbst ernannten Ordnungshüter des Deutschen Polizeihilfswerk gehen in Uniform auf Streife und wollen im Osten Deutschlands für mehr Sicherheit sorgen. Wie gefährlich die Gruppe ist, wird vor Gericht entschieden.
Trebsen - Es ist nicht leicht, aber man kann für einen Moment versuchen, Deutschland so zu sehen, wie Volker Schöne es sieht. Dann sieht man: ein Land, dessen Grundgesetz eigentlich nicht gilt, weil Alliierte und deutsche Kollaborateure es dem Volk aufoktroyiert haben. Mit Landesgrenzen, die auch nicht gelten, weil eigentlich die von 1937 wiederhergestellt werden müssten. Ein Land, in dem Politiker jeden Tag Gesetze brechen und gleichgeschaltete Medien Lügen verbreiten.
Die Frage ist: Wie viele Deutsche sehen ihr Land so wie Volker Schöne?
Vor eineinhalb Jahren, im April 2012, gründete der ehemalige Polizist Volker Schöne in Sachsen das Deutsche Polizeihilfswerk (DPHW). Er wollte, so sagt er, mit einer Bürgerwehr gegen die Missstände, die er sah, ankämpfen: gegen Polizeigewalt, Behördenversagen und Justizirrtümer. Die Pseudopolizisten sollten für Ruhe und Ordnung sorgen; sie wollten die echte Polizei unterstützen und zugleich kontrollieren.
Aber statt die Bürger zu beschützen, haben sie ihnen Angst gemacht. In Sachsen waren im vergangenen Herbst Männer in Uniformen unterwegs, die denen der Polizei zum Verwechseln ähnlich sahen. Männer Mitte vierzig, die glaubten, sie könnten Staatsgewalt spielen. Sie fuhren Streife, berieten Bürger auf obskure Weise bei Gerichtsprozessen und versuchen, neue Mitglieder zu gewinnen. Die, die sich ihnen in den Weg stellten, wurden eingeschüchtert.
Wo Reviere schließen, wächst die Attraktivität des Hilfswerks
Wie groß die Anziehungskraft des DPHW ist, ist schwer einzuschätzen. Sie wächst wohl, je mehr Menschen von den staatlichen Institutionen enttäuscht sind – und je mehr Lücken der Staat vor Ort hinterlässt. In vielen kleineren Gemeinden in Sachsen wurden Polizeireviere geschlossen und durch einen einzigen Polizisten im Rathaus ersetzt. „Die Polizei zieht sich immer mehr aus der Fläche zurück“, sagt Mathias Winkler, Sprecher der sächsischen Polizeigewerkschaft. „Das ist gefährlich.“ Diebstähle hätten zugenommen, die Menschen an der Grenze hätten Angst.
Das DPHW hat zwar angeblich Regionalstellen in allen Bundesländern, aber wirklich aktiv ist es vor allem in den ländlichen Regionen in Sachsen und Brandenburg. Dort, wo es abends schon mal eine Stunde dauert, bis ein Streifenwagen am Unfallort ankommt. Das Vakuum, das so entsteht, bietet Platz für all jene, die sich als Ordnungshüter inszenieren – und dabei vielleicht ganz andere Pläne verfolgen.
Die Polizei distanzierte sich schnell von den vermeintlichen Helfern. Die Zeitungen berichteten kritisch. Im Dezember stellte der grüne Abgeordnete Johannes Lichdi eine Anfrage im Landtag: Ob das DPHW rechtsextrem sei? Drei Tage später wurde sein Büro nachts mit Farbbeuteln beworfen.
Verdacht auf Bildung einer kriminellen Vereinigung
Inzwischen wird auch ermittelt. Unter anderem geht es um einen Gerichtsvollzieher in Bärwalde, den Mitglieder des DPHW Ende November vergangenen Jahres gewaltsam an der Arbeit gehindert haben sollen. Sachsens Polizei durchsuchte wegen Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung acht Wohnungen und einen Betrieb. Das Verfahren läuft noch. Es wird zeigen, ob die Behörden das DPHW für einen Haufen harmloser Spinner halten oder für eine gefährliche, womöglich rechtsextreme Gruppe.
Volker Schöne ist zum Gespräch nach Trebsen gekommen, ein 4000-Einwohner-Ort in der Nähe von Grimma. Er sollte allein kommen. Aber er hat seinen Pressesprecher Holger Fröhner mitgebracht, der im Selbstverlag Bücher veröffentlicht, die unter Verschwörungstheoretikern Ansehen genießen, und einen Mann, der sich als Berater vorstellt. Das Gespräch nimmt der Berater mit einer Videokamera auf.
Der Gründer der Vereinigung war früher selbst Polizist
Schöne gibt sich geschäftsmännisch: hellblaues Hemd zum dunklen Anzug. Bevor er sein Sakko auszieht, fragt er um Erlaubnis. Bei ihm muss alles seine Ordnung haben. Volker Schöne ist 43 Jahre alt, er war im Vorstand der Deutschen Polizeigewerkschaft – bis er im Herbst 2011 in einem offenen Brief auf der Homepage der Gewerkschaft schrieb, die deutschen Gesetze seien nicht gültig, weil ihnen der Geltungsbereich fehle. Eine Behauptung, wie sie die „Reichsdeutschen“ vertreten, jene Gruppen mit Kontakten zur rechten Szene, die die Existenz der Bundesrepublik leugnen und sich Fantasieausweise drucken.
Schöne wurde sofort entlassen, die Polizeigewerkschaft zeigte ihn an. Was er heute beruflich macht, will er nicht verraten, nur dass es nicht leicht gewesen sei, einen neuen Job zu finden. Fröhner, der Pressesprecher, bezeichnet sich als Unternehmer, die Branche möchte er nicht nennen. Der Dritte, Uwe Wetzig, betreibt eine Firma, die laut Visitenkarte „ganzheitliche Beratung für Unternehmer“ anbietet. Eine Homepage hat die Firma nicht. Konkrete Fragen beantwortet Volker Schöne gern mit Gegenfragen.
„Wie viele Mitglieder hat das DPHW?“
„Warum denken Sie in Schubladen?“
„Wie sind Sie organisiert?“
„Warum müssen wir organisiert sein? Wenn ich mit meinem Nachbarn und ein paar anderen Leuten Kaninchen züchte, muss ich doch keinen Verein gründen.“
„Wer leitet das DPHW?“
„Warum muss es jemand leiten? Können Bürger in diesem Land nicht mal selbstständig denken?“
Das DPHW hat keine Rechtsform, es gibt keinen Mitgliedsbeitrag. Die Uniformen, die etwa ein Drittel der Mitglieder besitzen, bezahlt jeder selbst. 53 Mitglieder soll der Regionalstab Halle/Leipzig haben, in dem Holger Fröhner aktiv ist. Auf Facebook hat die Seite des DPHW 408 „Likes“.
Dort kommentiert oft ein Mann, der sich „Dieter Thomas Dt. Michel“ nennt. Auf seiner eigenen Seite schreibt er: „Für was bezahlt man in der Finanzagentur BRD GmbH Steuern? Migrantengewalt.“ Ein anderer postet Karikaturen von Juden mit langen Nasen und schreibt darunter „zionistische Weltverschwörung“. Volker Schöne sagt, er könne nicht kontrollieren, wer auf der Seite Kommentare hinterlasse.
Der Provokateur Schöne und seine Homepage
Auf seiner Homepage schreibt das DPHW zwar: „Wir beurteilen keinen Menschen wegen seiner religiösen oder ethnischen Herkunft oder materiellen Situation.“ Aber zumindest einige der Anhänger scheinen anders zu denken. Beim sächsischen Innenministerium werden die Ermittlungen gegen das DPHW vom Operativen Abwehrzentrum geführt, einer Abteilung für rechtsextreme Straftaten. Und auf Volker Schönes privater Homepage finden sich – neben einem 16-seitigen Musterbrief mit Rechtschreibfehlern, der beweisen soll, warum man keine Steuern zahlen muss – auch krude Erklärungen darüber, dass viele Menschen zu Unrecht als Rechtsextreme bezeichnet würden.
Volker Schöne provoziert gerne. Jede Kritik scheint ihn darin zu bestätigen, dass er gegen ein übermächtiges System kämpft. Von einem Thema springt er zum nächsten: Die Verantwortlichen der Love-Parade seien nicht zur Verantwortung gezogen worden. Die Polizisten, die sein Haus durchsuchten, hätten sich wie die Nationalsozialisten nach der Machtergreifung verhalten. Und überhaupt würden wir ja alle überwacht, auch jetzt, bei diesem Gespräch.
Überfall auf einen Gerichtsvollzieher
Am 23. November 2012 hatte das DPHW seinen ersten großen Einsatz. Schöne und 14 weitere Mitglieder hinderten einen Gerichtsvollzieher in Bärwalde daran wegzulaufen. So beschreibt Schöne den Vorfall. Die Nachrichtenagentur dpa schrieb: „15 bis 20 Männer in polizeiähnlicher Kleidung sollen das Opfer umstellt, bedrängt und mit Kabeln gefesselt haben.“ Der Gerichtsvollzieher war lange krankgeschrieben, inzwischen hat er seine Arbeit aufgegeben. Leid tut das Schöne nicht. Im Gegenteil: er glaubt, dem Mann einen Gefallen getan zu haben. Der hätte sonst womöglich weitere Rechtsbrüche begangen.
Ein anderer Gerichtsvollzieher vom Amtsgericht Meißen, der nicht mit Namen in der Zeitung stehen will, erzählt, dass seine Arbeit in den vergangenen zehn Jahren immer schwieriger geworden sei. Der Überfall auf seinen Kollegen sei zwar ein Einzelfall, aber oft gehe es heftig zu. Viele Leute weigerten sich, Gebühren, Bußgelder oder Steuern zu zahlen – und bekämen dabei Unterstützung von „Reichsdeutschen“ oder eben jetzt vom DPHW. „Das sind Leute, die einen Mangel haben und versuchen, den auszugleichen, indem sie sich aufspielen“, sagt er.
Tatsächlich überbieten sich die drei mit Paragrafen und Anekdoten über Rechtsbeugung. Sie sagen Sätze wie „das ist mir so durchgestellt worden“ und schreiben E-Mails in Behördendeutsch. Volker Schöne liegt viel daran, als rechtschaffener Bürger zu erscheinen, mehrmals erwähnt er seine Kinder und sein Eigenheim.
In letzter Zeit scheint die Ordnung des DPHW aber durcheinandergeraten zu sein. Ende Juni war auf der Homepage zu lesen, das DPHW löse sich auf – unter anderem, weil man sich mit der Polizei nicht mehr identifizieren wolle. „Das war ein Schnellschuss“, sagt Holger Fröhner. „Alles wird weitergehen wie bisher“, sagt Volker Schöne. „Die Zeit ist reif“, sagen alle. Wofür, das sagen sie nicht.