Rundfunkgelder werden bei Asylbewerbern eingetrieben, obwohl sie davon befreit sind. Manchmal taucht sogar der Gerichtsvollzieher auf. Die Grünen im Rathaus fordern jetzt eine Änderung der Praxis.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Was Christa Cheval-Saur vom Freundeskreis der Flüchtlinge in Feuerbach erzählt, klingt wie eine Räuberpistole aus der Bürokratiehölle. Cheval-Saurs Schilderungen zufolge lässt es die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten an jeglichem Fingerspitzengefühl vermissen, wenn es um das Eintreiben von Gebühren bei Flüchtlingen geht. „Einem irakischen Flüchtling wurde ein Gerichtsvollzieher geschickt, um die aufgelaufene Rundfunkgebühr einzutreiben. Aus Angst hat er bezahlt, verstanden hat er es aber nicht“, sagt Cheval-Saur.

 

Die GEZ nennt sich mittlerweile zwar „ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice“, wahrscheinlich um das negative Image der Behörde mit einem serviceorientierteren Namen zu kaschieren. Die Methoden des bürokratischen Apparates sind aber in den Augen von Christa Cheval-Saur noch immer mehr als zweifelhaft. Die Stuttgarterin weiß von weiteren Flüchtlingen zu berichten, die fragwürdig behandelt wurden. „In einem anderen Fall sollte eine Frau Gebühr für zwei Monate nachbezahlen, obwohl ihr Ehemann, mit dem sie immer in der gleichen Wohnung lebte, bis 2017 von der Rundfunkgebühr befreit ist.“

Laut Gesetzeslage sind „Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die in Raumeinheiten innerhalb von Asylbewerberheimen wohnen, grundsätzlich nicht zur Zahlung eines Wohnungsbeitrags verpflichtet.“ Das hatte die Beitragsstelle von ARD, ZDF und Deutschlandradio selbst bereits Ende Februar in einer Presseerklärung in ordentlichem Bürokratendeutsch mitgeteilt.

Wieso tritt die Ex-GEZ dann dennoch und wider besseren Wissens so vehement an die Flüchtlinge heran? Sobald eine neue Adresse beim Einwohnermeldeamt vorliegt, gibt das Amt die Anschrift an den Beitragsservice der Öffentlich-Rechtlichen weiter. Das führt im schlimmsten Fall dazu, dass Flüchtlinge zur Begrüßung in regelmäßigen Abständen Post von der Gebühreneinzugsstelle bekommen, die von den Flüchtlingen weder inhaltlich noch sprachlich verstanden wird. Beim sogenannten Beitragsservice in Köln weiß man über diesen Umstand Bescheid, der Schwarze Peter wird aber weitergereicht an die Kommunen. Deren Pflicht sei es, Flüchtlingsunterkünfte bei der GEZ-Nachfolgereinrichtung rechtzeitig anzuzeigen, um die Bewohner so von der Beitragspflicht zu befreien. „Für den Beitragsservice ist es anhand von Meldedaten nicht möglich zu erkennen, wo die gemeldete Person lebt. Der Beitragsservice weiß daher nicht, dass es sich bei der angeschriebenen Person um einen Asylbewerber handelt, der in einem Asylbewerberheim untergebracht ist“, heißt es in einer Presseerklärung der Gebührenstelle.

Grüne verlangen neue Regelung

Die Fraktion der Grünen im Stuttgarter Gemeinderat will diesen bürokratischen Schildbürgerstreichen nun ein Ende bereiten und fordert in einem Antrag an die Verwaltung ein Verfahren, das sicherstellt, dass die Gebührenbescheide des Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio erst gar nicht an Flüchtlinge zugestellt werden. „Wir brauchen dringend eine Strategie, um dieses Ärgernis zu verhindern“, fordert der Grünen-Stadtrat Andreas Winter. Winter findet es unverantwortlich, dass Flüchtlinge in Stuttgart die Gebühr bezahlt hätten, weil sie verunsichert und verängstigt gewesen wären. „Es muss gewährleistet sein, dass die Gebührenbescheide künftig direkt an die Kostenträger und nicht an die Flüchtlinge gehen, schließlich kommen laufend neue Flüchtlinge zu uns“, sagt der Grüne.

Christa Cheval-Saur leistet in Feuerbach derweil weiterhin wichtige Hilfe im Rundfunkgebührendschungel. Nach einigen Anrufen beim Beitragsservice wird die Frau, deren Mann von der Gebühr befreit ist, nicht weiter mit Zahlungsaufforderungen behelligt. Nicht nur Cheval-Saur wundert sich über den GEZ-Eifer. Dass die Flüchtlinge die deutsche Sprache am besten lernten, wenn sie TV-Schmonzetten wie „In aller Freundschaft“ schauen, sei doch eher unwahrscheinlich.