Mittelständler, die über umfangreiche Berichtspflichten klagen. Konzerne, die Produktion ins Ausland verlagern. Die deutsche Bürokratie wird immer mehr zum Standortnachteil und ist unglaublich teuer.
Die Bürokratie in Deutschland kostet einer Untersuchung des Münchner Ifo-Instituts zufolge 146 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung pro Jahr. „Die Kosten von Nichtstun sind riesig, gemessen am Wachstumspotenzial, das im Bürokratieabbau schlummert“, erklärt Ifo-Forscher Oliver Falck am Donnerstag (14. November). Allein mit einer digitalisierten öffentlichen Verwaltung wäre die Wirtschaftsleistung demnach fast 100 Milliarden Euro höher.
„Der Schaden ist gigantisch“
„Der Schaden im dreistelligen Milliardenbereich ist gigantisch. Es darf nun keinen Verzug mehr geben“, fordert der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern, Manfred Gößl.
Die IHK hatte die Studie beim Ifo in Auftrag gegeben. „Alle Nachweis- und Dokumentationspflichten, Berichtspflichten und Statistikmeldungen, alle ständigen Gesetzesänderungen, Datenschutzvorgaben und langwierigen Verwaltungsverfahren, gehören auf den Prüfstand.“
Insbesondere die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung spielt laut Ifo eine wichtige Rolle beim Bürokratieabbau. Würde Deutschland dabei „auf das Niveau von Dänemark aufschließen, wäre die Wirtschaftsleistung um 96 Milliarden Euro pro Jahr höher“, erläutert Falck.
Direkte und indirekte Kosten
Das Ifo bezog in seiner Studie nicht nur direkte, sondern auch indirekte Kosten in die Rechnung mit ein. Daher liege die Schätzung deutlich höher als beispielsweise die des Normenkontrollrats, der auf 65 Milliarden Euro pro Jahr kommt.
Grundlage für die Studie ist den Forschern zufolge ein Index, der für mehrere Länder den Bürokratieaufwand in für die Wirtschaft und Unternehmen relevanten Bereichen abbildet. Die Studienautoren simulierten, welche Effekte eine Bürokratiereform auf das niedrige Bürokratieniveau von Schweden, dem Spitzenreiter im Bürokratie-Index, bringen würde.
Bureaucratie: Herrschaft der Verwaltung
- Das Wort Bürokratie kommt aus dem Französischen von bureaucratie, was Herrschaft der Verwaltung bedeutet.
- In einer Bürokratie ist alles bis ins Kleinste geregelt und streng geordnet, jeder hat seine klar umschriebene Aufgabe. Vorschriften legen exakt fest, wie gehandelt werden muss.
- Kein Mitarbeiter einer Verwaltung wird etwas tun, wofür er nicht zuständig ist. Die sogenannten Dienstwege werden strikt eingehalten, jeder Vorgang wird in den Akten genau und lückenlos festgehalten.
Ausufernde Regelungsdichte
Bürokratischen Herrschern dürften sich viele Antragssteller in staatlichen Amtsstuben ausgeliefert fühlen. Denn die Regelungsdichte in Deutschland nimmt immer größere Ausmaße an. In den vergangenen zehn Jahren hat sie enorm zugenommen.
Wie aus einer Statistik der Bundesregierung hervorgeht, stieg sowohl die Zahl der bundesrechtlichen Gesetze als auch die Zahl der Einzelnormen in diesem Zeitraum stark an:
- Am 1. Januar 2014 galten noch 1671 Gesetze mit 44 216 Einzelnormen.
- Zu Beginn dieses Jahres waren es schon 1792 Gesetze, die aus insgesamt 52 155 Einzelnormen bestanden.
Prinzip der Gewaltenteilung
Dichter ist das Dickicht der Vorschriften allerdings nicht nur auf der Ebene der vom Bundestag beschlossenen Gesetze geworden, sondern auch bei den Rechtsverordnungen, mit denen die Exekutive Details regelt. Die Exekutive ist die sogenannte vollziehende oder ausübende Gewalt. Sie umfasst die Regierung und die Verwaltung, der in erster Linie die Ausführung der Gesetze anvertraut ist.
Das Prinzip der Gewaltenteilung ist in Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verankert. Danach wird die Staatsgewalt vom Volk in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung (Legislative), der vollziehenden Gewalt (Exekutive) und der Rechtsprechung (Judikative) ausgeübt.
Grüner Hang zu überkomplexen Regelungen
Zu viele bürokratische Auflagen und umfangreiche Berichtspflichten sind neben hohen Energiepreisen von Wirtschaftsverbänden zuletzt besonders häufig als Belastung genannt worden.
Vor allem den Grünen wird oft ein Hang zu überkomplexen Regelungen im Dienste der Einzelfallgerechtigkeit nachgesagt. Getrieben von dem Wunsch, möglichst keine Fallkonstellation außer Acht zu lassen, entstehen so manchmal Regelwerke, die für Fachleute kaum noch zu durchschauen sind.