Die Quartiersgemeinschaft Tübinger Straße löst sich auf. Das Landesgesetz Quartiersentwicklung durch Privatinitiative entwickelte sich für Eigentümer zum Bürokratie-Monster. Mit dem gesparten Geld wird nun der Gerberviertelverein finanziert.

Stuttgart - Das so genannte Gesetz zur Stärkung der Quartiersentwicklung durch Privatinitiative (GQP) galt im Land als das Ei des Kolumbus, um Stadtviertel weiterzuentwickeln und zu verschönern. Der frühere Citymanager Hans H. Pfeifer hat sich lange Jahre dafür verkämpft. Und als die Quartiersgemeinschaft Tübinger Straße (QTS) als erster innerstädtischer Zusammenschluss von Immobilieneigentümern zum 1. Januar 2015 die Umsetzung eines BID (Business Improvement District) in Baden-Württemberg verkündete, war die Begeisterung groß. Die private Initiative für Quartiersentwicklung in der Tübinger Straße sollte Vorbild für ganz Stuttgart werden.

 

Die Ziele des Fünfjahresplans waren das Quartier und vor allem die Tübinger Straße durch eine Weihnachtsbeleuchtung, Verstärkung des Marketings, Inszenierung der Straßeneingänge sowie über kostenloses WLAN aufzuwerten, um mehr Passanten ins Quartier zu locken. Zehn von 21 Immobilieneigentümern tönten damals: Wir fühlen uns der Stadt und dem Gemeinwohl verpflichtet. Denn dank des neuen Gesetzes konnten Eigentümer, die sich dem Gemeinwohl nicht verpflichtet sahen, gezwungen werden, sich an Maßnahmen der Quartiersentwicklung finanziell zu beteiligen. Wirtschaftsförderin Ines Aufrecht frohlockte damals: „Diese Initiative in der Tübinger Straße dürfte beispielgebend für ganz Baden-Württemberg sein.“

Doch was als Tiger gestartet ist, endete vergangene Woche als Bettvorleger.

Die Mitgliederversammlung des QTS hat am 29. Mai der Sache ein Ende gesetzt. ,,Die Kosten für Trägerschaft und Management standen in keinem vertretbaren Verhältnis zu den Kosten der Maßnahmen“, erklärt QTS-Vorsitzender Volker Gairing.

300 000 Euro Softkosten

Hintergrund: Das an sich gut gedachte Instrument hat sich für die Eigentümer zu einem Bürokratie-Monster entwickelt. Das, was die grün-schwarze Landesregierung im Koalitionsvertrag niederschrieb, kommt bei diesem Gesetz nicht ansatzweise an: Bürokratieabbau. Das Gegenteil ist der Fall. „Das Gesetz schreibt ganz genau vor, wie Prozesse laufen müssen – vom Maßnahmenkatalog bis hin zum Finanzierungsplan“, erklärt Gairing, „all das war uns zu aufwendig.“ Man müsse sich den gesamten Prozess so umfassend wie den Antrag auf eine Baugenehmigung vorstellen.

Aus kaufmännischer Sicht sei dies aber gegenüber den Eigentümern nicht vermittelbar gewesen. Auf die Laufzeit von fünf Jahren umfasste das Maßnahmenpaket 800 000 Euro. Doch entscheidend für das Ende der QTS und ihrer Pläne waren die so genannten „Softkosten“, die durch Verwaltung und Bürokratie angefallen wären. „Diese Softkosten betrugen bis zu 40 Prozent des Gesamtpaketes“, erklärt Gairing – also rund 300 000 Euro. Und dabei sei noch nicht mal geklärt gewesen, ob die Mehrwertsteuer absetzbar gewesen wäre.

„Da haben wir uns gesagt, das Geld stecken wir lieber gezielt in Projekte und Patenschaften, dann sind wir nicht fünf Jahre in ein Korsett gepresst und können spontan entscheiden“, sagt Gairing. Unter solchen Patenschaften versteht er beispielsweise die spezielle Förderung von Eigentümern oder Händlern: „Wenn zum Beispiel Globetrotter ein großes Wasserbecken in der Tübinger Straße aufbauen würde, um Tauchprodukte vorzustellen, könnte man dies über so eine Patenschaft fördern.“

Aufwertung des Gerberviertelvereins

Genannte Aktionen sollen in Zukunft unter der Führung des Gerberviertelvereins gebündelt und organisiert werden. Denn die bis dato im Eigentümerverein QTS zusammengeschlossenen privaten und institutionellen Hauseigentümer in der Tübinger Straße schließen sich nun dem Gerberviertelverein an. Der Verein, der nach dem Abgang von Quartiersmanager Hannes Wolf von der Teilzeitkraft Silvia Korkmaz verwaltet wurde, soll so wieder zu alter Stärke erblühen sowie mehr Gewicht und Geld für Marketing- und Eventmaßnahmen bekommen.

,,Wir freuen uns über den Zuwachs. Dadurch erhalten wir noch mehr Unterstützung, um die Ideen des Gerberviertelvereins bei der Stadt, Politik, Eigentümern, Einzelhändlern noch wirksamer vorzutragen und umzusetzen“, sagte Quartiersmanagerin Korkmaz. Sie darf offenbar auf eine Erhöhung ihres Deputats hoffen, um so die Lücke, die Hannes Wolf hinterlassen hat, tatsächlich schließen zu können.

Dies ist zumindest die klare Absicht von Volker Gairing, dem Eigentümer des Hauses in der Tübinger Straße 27, wo sein Vater und Großvater das bekannte Café Gairing betrieben haben: „Mit der Bündelung der Eigentümer und den Gewerbetreibenden im Gerberviertelverein können wir viel mehr erreichen.“