Eine ausgefeilte Gesetzgebung rund ums Vererben soll Missbrauch und Erbschleicherei verhindern. Aber die komplizierte Lebenswirklichkeit kollidiert immer wieder mit der Rechtslage.

Stuttgart - Große Probleme waren nicht in Sicht. Das zumindest glaubte die Kirchheimerin Barbara K., als sie sich daranmachte, das Erbe ihres verstorbenen Schwagers, des Mannes ihrer Schwester, zu verwalten. Als der noch lebte, schien alles wohlgeordnet. Der kinderlos verstorbene Mann war bereits Monate vor seinem Tod beim ortsansässigen Notar und einer Rechtsanwältin vorstellig geworden, um sich über die Abläufe zu informieren. Zusammen mit Barbara K. und seinem Bruder regelte er die Dinge einvernehmlich: Die beiden sollten seine Erben sein. „Es gab nie irgendwelche Irritationen zwischen uns Beteiligten“, schildert Barbara K. die eigentlich günstige Ausgangslage.

 

Doch der Gesundheitszustand des Schwagers und Erblassers verschlechterte sich schnell, er musste ins Krankenhaus. Barbara K. machte sich auf zum Notar, damit der einen Testamentsentwurf verfasse. In der Zwischenzeit war eine Notoperation nötig geworden. „Noch kurz vorher diktierte mir mein Schwager einen Text, da er mit drei Prozent Sehfähigkeit selbst nicht mehr schreiben konnte, und unterschrieb eigenhändig“, so Frau K. Zwei Ärzte des Krankenhauses, der Leitende Arzt und der Anästhesist, bezeugten die Unterschrift unabhängig voneinander schriftlich.

Wenige Tage nach der OP verstarb der Mann. Das notarielle Testament konnte er nicht mehr unterzeichnen. „Das Nachlassgericht erkannte natürlich den Testamentsentwurf, in dem der Bruder und ich jeweils zur Hälfte erben sollten, nicht an“, sagt Barbara K. Macht nichts, dachte sie sich. Schließlich gab es ja noch das von ihr geschriebene und von den Ärzten bezeugte Testament. Doch hier gab es ein Problem. „Auch das Nottestament, von den Ärzten bezeugt, wurde vom Nachlassgericht nicht anerkannt“, so Frau K. weiter. Denn es brauche drei Zeugen, um ein sogenanntes Not- oder Drei-Zeugen-Testament rechtswirksam zu machen, urteilte das Gericht. Über solche Spitzfindigkeiten kann die 68-Jährige nur den Kopf schütteln. „Hätte ich das gewusst, hätte ich mir eben noch schnell eine Krankenschwester als dritte Zeugin dazugeholt“, sagt sie. Klar, die Umstände seien unglücklich. Doch die Regeln müssten viel flexibler sein.

Ein Testament korrekt zu hinterlassen, ist gar nicht einfach

Eine ausgefeilte Gesetzgebung rund ums Vererben soll möglichst viel Gerechtigkeit gewährleisten sowie Missbrauch und Erbschleicherei verhindern. Aber die komplizierte Lebenswirklichkeit kollidiert immer wieder mit der Rechtslage.

Im Fall von Frau K. waren beide Testamente für die Katz. Selbst ein dritter Zeuge hätte möglicherweise nicht geholfen, glaubt Beatrix Wolfer, Fachanwältin für Erbrecht aus Stuttgart: „Diese Testamentform ist abhängig von einer äußeren Notlage, einem Unfall im Gebirge oder Ähnlichem, und basiert auf der Grundlage einer nahen Todesgefahr.“ Bei einem Aufenthalt im Krankenhaus sei diese nicht unbedingt erfüllt. Eventuell hätte man noch einen Notar ans Krankenbett rufen können.

Im Fall von Barbara K. kam die gesetzliche Erbfolge zum Tragen und der Bruder ihres verstorbenen Schwagers wurde vom Nachlassgericht als Alleinerbe ermittelt. Die gesetzliche Erbfolge ist abhängig vom Familien- und Güterstand und kommt immer dann zum Tragen, wenn kein Testament vorliegt. „Das Gesetz leitet eine bestimmte Erbfolgenregelung ab. Wenn man davon abweichen will, empfiehlt es sich, ein Testament zu machen“, so Beatrix Wolfer. Sie rät ihren Klienten grundsätzlich dazu, ein Testament zu machen und es regelmäßig zu überprüfen.

Trotzdem: Häufig seien es nicht fehlende Testamente, die Anlass zu Erbstreitigkeiten geben, sondern deren schlechte Qualität. „Oft sind sie sehr konfliktträchtig abgefasst. Da wäre es zum Teil besser gewesen, man hätte die gesetzliche Erbfolge gelassen“, so die Anwältin. Konfliktstoff bieten auch Testamente, die seit Jahrzehnten nicht aktualisiert worden sind. „Ich werbe dafür, dass man sich das Testament alle paar Jahre in die Hand nimmt und schaut, ob es überhaupt noch passt“, so Wolfer. Denn Beziehungen änderten sich genauso wie finanzielle Verhältnisse.

Und am Ende gibt es noch Ärger mit der Bank

Der Bruder des verstorbenen Schwagers von Barbara K. jedenfalls wollte dem Wunsch des Verstorbenen gerecht werden – gesetzliche Erbfolge hin oder her. Also nahmen die beiden die Sache selbst in die Hand und gingen zur Bank. Einfach auszahlen konnte der Bruder Barbara K. freilich nicht. „Hätte er das gemacht, wäre eine Schenkungssteuer angefallen.“ Der Bankangestellte versicherte den beiden bei einem Besuch, dass alle vorgelegten Papiere in Ordnung seien. Es folgte ein gemeinsamer Antrag für die Erbschaftsteuer. Dem Finanzamt genügten die vorgelegten Unterlagen, und die beiden bezahlten die Erbschaftsteuer. Schließlich wollten sie das Konto des Schwagers auflösen und die Einlagen ausbezahlen lassen. Das klappte auch – allerdings nicht bei Frau K., sondern nur beim Bruder ihres Schwagers.

„Die Bank bestand nun auf einem Erbschein, von dem bis dahin nie die Rede war“ – dabei hatte Barbara K. seit der Kontoeröffnung eine Vollmacht für das Konto ihres Schwagers. Sie hatte alle Transaktionen schon zu seinen Lebzeiten durchgeführt, eine eigene EC-Karte für das Konto und war persönlich bei der Bank bekannt.

Frau K. beantragte also den Erbschein, bekam ihn, legte ihn samt Personalausweis und Vollmacht bei der Bank vor und erhielt nach einer weiteren monatelangen Verzögerung schließlich ihren rechtmäßigen Anteil am Erbe. All das hat sie viel Kraft und Nerven gekostet, die man aus ihrer Sicht hätte vermeiden können.