Mehr Geld für den Klimaschutz? Reiner Holznagel vom Steuerzahlbund ruft die Regierung auf, erst einmal überflüssige und klimaschädliche Ausgaben zu streichen, bevor sie sich Neues ausdenkt.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Die Bundesregierung hat ihr Programm zum Klimaschutz vorgelegt. Geplant sind unter anderem die Einführung eines CO2-Preises und finanzielle Anreize für umweltfreundliches Verhalten. Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, fordert im Interview mit unserer Zeitung eine höhere Pendlerpauschale und warnt vor der Illusion, durch Steuerpolitik menschliches Verhalten in großem Stil ändern zu können.

 

Herr Holznagel, die große Koalition hat ihr Klimapaket verabschiedet. Es soll fünfzig Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 kosten und ohne neue Schulden finanziert werden. Halten Sie diese Kalkulation für seriös?

Der Staat formuliert politische Ziele, die er zu erreichen wünscht. Aber ob die vorgeschlagenen Maßnahmen ausreichen, die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens zu schaffen, ist höchst zweifelhaft. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass später nachgelegt werden muss und die ganze Sache noch wesentlich teurer wird.

Union und SPD haben sich gegen eine CO2-Steuer und für einen Zertifikatehandel entschieden, um den Kohlendioxid-Ausstoß zu begrenzen. Das müsste sie als Gegner jeder Steuererhöhung doch freuen, oder?

Da bin ich tatsächlich zufrieden. Es ist unbestreitbar notwendig, Kohlendioxid mit einem Preisschild zu versehen. Dabei wird aber oft vergessen, dass wir längst eine Besteuerung fossiler Brennstoffe haben: für eine Tonne Heizöl macht das heute circa 25 Euro aus, bei Benzin sind es 280 Euro pro Tonne. Eine CO2-Steuer hätte nur zu noch höheren Preisen geführt, aber nicht zu einem geringeren Kohlendioxid-Ausstoß. Der Zertifikatehandel, mit dem der CO2-Preis über den Markt geregelt wird, ist im Vergleich das wesentlich bessere System.

Der Preis der Zertifikate soll eine Unter- und eine Obergrenze haben. Der Einstiegspreis liegt bei lediglich zehn Euro pro Tonne CO2. Kann er damit ein wirkungsvolles Instrument sein?

Ein sanfter Einstieg ist notwendig. Wir dürfen die Menschen nicht überfordern, sonst wird der Politikverdruss nur noch größer.

Benzin und Diesel sollen teurer werden, damit die Leute weniger Auto fahren. Gleichzeitig gibt es eine höhere Pauschale für Fernpendler, damit sie sich die gestiegenen Kosten leisten können. Heben sich damit die Lenkungseffekte nicht auf?

Klar ist doch, die Anhebung der Pendlerpauschale ist auch ohne das Klimapaket überfällig. Und die jetzt vorgeschlagenen 35 Cent pro Kilometer für denjenigen, der mehr als zwanzig Kilometer zur Arbeit fährt, sind immer noch zu wenig. Die letzte Anhebung der Pauschale erfolgte im Jahr 2004, und sie deckt überhaupt nicht mehr die realen Kosten der Pendler. Die sind ja nicht zum Spaß unterwegs, sondern um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Deshalb fordern wir schon seit längerem eine Anhebung auf mindestens 40 Cent.

Ist das Klimapaket ansonsten sozial ausbalanciert?

Der normale Steuerzahler, die Familie oder der mittelständische Unternehmer darf jedenfalls nicht noch mehr belastet werden. Es wird oft vergessen, dass schon heute eine durchschnittliche Familie im Monat rund hundert Euro Umwelt-Steuern zahlt: Energiesteuern für Kraftstoffe und fürs Heizen, Kfz-Steuer, Luftverkehrsteuer, Stromsteuer und diverse Strom-Umlagen. Wir müssen aufpassen, dass die Schrauben nicht überdreht werden. Ich hätte mir deshalb gewünscht, dass erst einmal umweltschädliche oder überflüssige Subventionen aus dem Bundeshaushalt gestrichen werden, bevor man sich etwas Neues ausdenkt.

An welche Etatposten denken sie?

Der Kohleausstieg, um ein plakatives Beispiel zu nennen, dauert viel zu lang. Aber es geht mir um etwas Grundsätzliches: Wir haben für fast jedes Politikproblem eine Vielzahl von Einzelprogrammen, die nicht wirken oder sogar kontraproduktiv sind. Es gibt etwa einen Fördertopf für die Installation von Elektrozapfsäulen auf dem Gelände von KFZ-Händlern. Die sollten für ihre Kunden solche Säulen bereitstellen können. Zu den größten Subventionsempfängern gehörte dann allerdings der VW-Konzern, der sich rund um seinen Firmensitz in Wolfsburg diese Säulen hingestellt hat. So etwas muss nun wirklich nicht der Steuerzahler finanzieren. Das müsste mal alles systematisch durchforstet werden: Kleinvieh macht hier ganz viel Mist.

Um ihre Klimaziele zu erreichen, setzt die Bundesregierung kaum auf Verbote. Stattdessen baut sie auf einen bunten Mix aus steuerlichen Anreizen und staatlichen Zuschüssen. Ist das der richtige Weg?

Im Prinzip ja. Wir sind nicht in einer Diktatur, in der eine Regierung vorschreibt, wie ich mich zu verhalten habe. Stattdessen sind wir als Bund der Steuerzahler für die EU-weite und am besten weltweite Ausweitung des Zertifikatehandels. Das bedeutet: Intelligente Vorgaben statt zweifelhafte Steuererhöhungen.

Sie bezweifeln also, dass man mit Steuern und Abgaben Wohlverhalten befördern und unerwünschtes Verhalten verhindern kann?

Das funktioniert nur eingeschränkt. Steuern können positive Anreize schaffen und auch Menschen von etwas abhalten. Aber nicht in dem Ausmaß und dem Tempo, wie es sich viele Politiker erhoffen. Dann müssten Steuern so hoch sein, dass sie fast erdrosseln. Zudem gibt es einen wichtigen Nebeneffekt: Wenn sich das Verhalten wie gewünscht ändert, sinken zwangsläufig die staatlichen Einnahmen. Wenn also wegen einer hohen Tabaksteuer weniger Menschen rauchen, kommt weniger Geld in die Staatskasse. Das will dann auch wieder niemand.

Die Regierung hält trotz Klimapaket an der „Schwarzen Null“ im Bundeshaushalt fest. Dies wird von einer wachsenden Zahl von Politikern, aber auch Wissenschaftlern kritisiert. Das Argument lautet: In Zeiten historisch niedriger Zinsen mache es keinen Sinn, keine Schulden aufzunehmen. Besser sei es, mit geliehenem Geld die staatlichen Investitionen auszuweiten. Das klingt doch ganz vernünftig.

Neue Schulden zu machen ist das Billigste, was man machen kann. Dann hat man nämlich nicht den Mut, politische Schwerpunkte zu setzen. Ich halte an der „Schwarzen Null“ eisern fest, weil es neben der ökologischen Nachhaltigkeit auch eine finanzielle Nachhaltigkeit geben muss – und vor allem eine Generationengerechtigkeit. Jeder vom Staat geliehene Euro muss in der Zukunft zurückgezahlt werden. Das gilt auch in Zeiten niedriger Zinsen.

Aber es ist unstrittig, dass der deutsche Staat zu wenig investiert. Wo würden Sie denn das Geld hernehmen, um Schulen zu sanieren oder die Stromnetze schneller auszubauen?

Der Staat hat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. In jedem Etat der Berliner Ministerien gibt es hohe Einsparpotenziale. Dazu gibt es von uns jedes Jahr eine lange Liste mit konkreten Vorschlägen...

Die offensichtlich in den Ministerien niemand beachtet...

Hier bohren wir dicke Bretter, keine Frage. Aber wir erzielen immer wieder Erfolge. Darüber hinaus wäre die wirkungsvollste Methode, über alle Ressorts hinweg eine Sparvorgabe zu machen – zum Beispiel minus 2,5 Prozent. Ich bin sicher, dann entwickeln alle Ministerinnen und Minister Ideen, wo sie den Rotstift ansetzen wollen.