Der Bund der Vertriebenen begeht den Tag im Beethovensaal mit einer pandemiebedingt abgespeckten Version. Aufs kräftige Mitsingen der Nationalhymne mussten die Gäste im Beethovensaal am Sonntag zum Beispiel verzichten.

Stuttgart - Nur in Gedanken solle man die dritte Strophe der Nationalhymne mitsingen, sagte Moderator Hartmut Liebscher, als er am Sonntag den Auftritt des Knabenchors Capella Vocalis Reutlingen ankündigte. So erhoben sich die Gäste des diesjährigen Tages der Heimat im Beethovensaal der Liederhalle zwar von ihren Plätzen, beschränkten sich aber darauf, den Knaben zu lauschen. Wie viele Veranstaltungen in diesem Jahr musste sich auch der Tag der Heimat, ausgerichtet vom Bund der Vertriebenen (BdV), Corona-bedingt auf eine Light-Version beschränken.

 

Nicht nur aufs kräftige Mitsingen musste man verzichten. Blaskapellen zum Beispiel gab es nicht, Chöre traten in ausgedünnter Besetzung auf, Mitglieder von Tanzgruppen hielten Abstand voneinander, und zur Egerländer Stadttürmer-Fanfare liefen nicht wie üblich Vertreter verschiedener Landsmannschaften in den Saal. Trotz allem wolle man den Tag so begehen, dass er sich würdig in die bisherigen Tage der Heimat seit 1950 einfüge, sagte Albert Reich, BdV-Kreisvorsitzender aus Stuttgart, zu Beginn. Tage der Heimat seien immer auch Tage der Begegnung, und diesem Anspruch werde man auch in diesem Jahr trotz Corona gerecht. Im Mittelpunkt stand in diesem Jahr ein Jubiläum: vor 70 Jahren, am 5. August 1950, hatten Sprecher der Vertriebenenverbände die Charta der deutschen Heimatvertriebenen unterzeichnet und am Tag darauf in Bad Cannstatt offiziell verkündet.

Staatssekretär ist stolz auf die Charta

Staatssekretär Wilfried Klenk, der den verhinderten Innenminister Thomas Strobl kurzfristig als Hauptredner ersetzte, stellte das Datum in eine Reihe zweier weiterer wichtiger historischer Ereignisse: dem Tag der Befreiung von der NS-Terrorherrschaft am 8. Mai 1945 und der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990. Auf die Charta könne man stolz sein und auf alles Fruchtbare, was aus ihr erwachsen sei, sagte Klenk. Ihren Verfassern sei es nicht um Rache und Vergeltung gegangen, sondern um das Versprechen, durch harte und unermüdliche Arbeit am Wiederaufbau Deutschlands mitzuwirken, so Klenk. „Die Heimatvertriebenen stellten sich ihrem Schicksal und wuchsen dadurch über es hinaus“, so der Staatssekretär weiter.

Auch Albert Reich betonte, die Charta ernst zu nehmen. Gleichzeitig wolle man an die Heimat jenseits der Oder-Neiße-Grenze erinnern, die man nicht einfach „verloren“ habe wie eine Brieftasche, sondern die „geraubt“ worden sei. BdV-Landesvorsitzende Iris Ripsam sagte, man sei froh, die Veranstaltung trotz eines stark zusammengestrichenen Programms durchgeführt zu haben, um die große Familie des BdV zusammenzuhalten. Den großen Festakt zum Charta-Jubiläum habe man aufs nächste Jahr verschoben. Ripsam betonte die Bedeutung der Charta im Hinblick auf ein geeintes Europa. Dieses Ziel hätten die Heimatvertriebenen schon 1950 vor Augen gehabt – früher als viele andere.