Wie schon länger prognostiziert beginnen die Fallzahlen rasant zu steigen. Bund und Länder reagieren darauf vor allem mit kürzeren Quarantänezeiten, um die öffentliche Versorgung sicherzustellen – zusätzliche Einschränkungen gibt es vorerst kaum.

Berlin - Kaum ist die vierte Pandemiewelle ein wenig abgeebbt, baut sich auch schon die fünfte auf. Bundesweit zählte das Robert-Koch-Institut am Freitag insgesamt 56 335 Corona-Neuansteckungen – in der zurückliegenden Woche haben sich damit von 100 000 Einwohnern 303,4 infiziert. Die Tendenz ist laut aktuellem Wochenbericht stark steigend, weil es sich bei der neuen Virusvariante Omikron um einen „auch bei Geimpften und Genesenen leichter übertragbaren“ Erreger handelt.

 

Das stellt eine gewaltige Herausforderung dar, obwohl erste epidemiologische Analysen auf mildere Krankheitsverläufe bei Omikron-Infektionen hindeuten, wie der Expertenrat der Bundesregierung in seiner jüngsten Stellungnahme geschrieben hat. Er nimmt an, dass die sehr hohen Fallzahlen die geringere Hospitalisierungsrate „quantitativ aufzuwiegen“ drohen und „mit einer erheblichen Belastung und regional auch Überlastung“ des Gesundheitssystems zu rechnen ist.

Lockerere Quarantäneregeln, vorerst keine neuen umfangreichen Einschränkungen

Auf ihrem ersten Coronagipfel des neuen Jahres haben die Regierungschefs von Bund und Ländern deshalb am Freitag versucht, Deutschland für diesen rasanten Anstieg zu wappnen. Auf umfangreiche neue Einschränkungen wurde dabei vorerst verzichtet, vielmehr werden nun geltende Regelungen im Umgang mit Infektionen gelockert, um auch bei sehr hohen Fallzahlen mit genug Personal in kritischen Sektoren die gesellschaftliche Versorgung zu sichern.

Im Zentrum stehen neue Quarantäneregeln, die „zeitnah“ in Kraft treten sollen. So müssen sich Kontaktpersonen von Omikron-Infizierten künftig seltener und kürzer isolieren. Galt bisher ein Zeitraum, der auch nicht durch einen negativen Test verkürzt werden konnte, werden „Geboosterte“ künftig ganz von dieser Pflicht ausgenommen. Das gilt auch für „frisch Genesene und Geimpfte“, wobei der Bund-Länder-Beschluss nicht definiert, innerhalb welchen Zeitraums die Impfung „frisch“ ist. Wenn sie schon etwas länger zurückliegt, soll die Quarantäne nur noch zehn Tage dauern. Bereits nach einer Woche kann sie enden, wenn eine Kontaktperson einen negativen PCR- oder Schnelltest vorlegt. Das „Freitesten“ bringt also drei Tage.

Ein medizinischer Beruf kann nach sieben Tagen wieder ausgeübt werden, wenn der oder die Infizierte zuvor 48 Stunden symptomfrei und ein obligatorischer PCR-Test negativ war. Kinder und Jugendliche, die in Kontakt mit Corona-Infizierten waren, können künftig bereits nach fünf Tagen wieder in die Schule oder in die Kita, wenn ein Schnelltest oder ein PCR-Test bestätigt, dass sie sich nicht angesteckt haben. Begründet wird das damit, dass sie ohnehin „in serielle Teststrategien eingebunden sind“.

Wenn täglich getestet wird, kann es „Ausnahmen von der Quarantäne“ geben. Bedenken, dass nur PCR-Tests eine Omikron-Ansteckung verlässlich erkennen, teilt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht: „Wir glauben, dass Schnelltests eine ausreichende Sicherheit bieten.“

Keine neuen Kontaktbeschränkungentrotz Omikron-Welle

Den Lockerungen stehen trotz Omikron-Welle kaum neue Beschränkungen gegenüber. Die Forderung der unionsregierten Bundesländer sowie Baden-Württembergs, der Bundestag solle erneut eine epidemische Notlage nationaler Tragweite ausrufen, mit der Bund und Länder zusätzliche Maßnahmen auf dem Verordnungswege beschließen könnten, fand wie schon bei den vorangegangenen Sitzung keine allgemeine Zustimmung. Die geltenden Kontaktbeschränkungen bleiben ebenso bestehen wie die Zutrittsverbote für Ungeimpfte auch in kulturellen Einrichtungen. „Dringend empfohlen“ wird allerdings, beim Einkaufen sowie in Bussen und Bahnen eine FFP2-Maske zu tragen.

Verpflichtend neu ist nur, dass für Cafés und Restaurants bundesweit die sogenannte 2G-plus-Regel gilt. Zusätzlich zum Nachweis einer Genesung oder einer Grundimmunisierung muss also ein tagesaktueller Test vorgelegt oder eine Auffrischungsimpfung nachgewiesen werden. Zur Begründung heißt es, dass beim Essen und Trinken naturgemäß keine Masken getragen werden könnten – weshalb mit der leicht übertragbaren Omikron-Variante ein hohes Risiko bestehe. Berlins neue Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) wies darauf hin, dass in den kommenden Tagen die Hälfte der Bevölkerung „geboostert“ sein wird – und dies künftig schon von Tag eins an die „2G-plus-Regel“ erfüllt.

Die bundesweite Gastronomie-Regel wird noch nicht in allen Ländern umgesetzt

Sie wird in einer Reihe von Bundesländern, darunter auch im Südwesten, ohnehin schon praktiziert. Sachsen-Anhalt und Bayern wollen sie aus Rücksicht auf die Gastronomiebetriebe möglicherweise dennoch nicht gleich umsetzen: „Wir sind da sehr skeptisch“, wie Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach der Sitzung sagte. Kanzler Olaf Scholz betonte, die Unternehmenshilfen würden nun auch „für die Gastronomie verbessert“.

Stand jetzt ist nach Scholz’ Ansicht „alles unternommen“ worden, um die neue Welle möglichst flach zu halten. Sein Expertenrat hat ihn jedoch bereits ermahnt, eine schnelle Entwicklung der Fallzahlen könne „kurzfristig eine weitere Intensivierung der Kontaktbeschränkungen erforderlich“ machen. Welche das sein könnten, wollte Scholz am Freitag nicht sagen, „die werden wir aber ergreifen“. Am 24. Januar kommt die Runde erneut zusammen.

Zur Eindämmung der neuen Variante setzen die Länderchefs und er bis dahin auf weitere Auffrischungsimpfungen, von denen bis Monatsende insgesamt 60 Millionen verabreicht sein sollen. „Der beste Schutz vor Omikron ist eine Booster-Impfung“, so der Bundeskanzler.

Bei der Impfpflicht gibt es weiterhin keinen Zeitplan

Olaf Scholz bekannte sich zudem erneut zu einer allgemeinen Impfpflicht, nachdem NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) zuvor gewarnt hatte, man dürfe bei diesem Thema „nicht taktieren“. Der FDP-Justizminister Marco Buschmann hatte unter der Woche zudem gesagt, ein möglicherweise nur kurzfristiger Zusatzschutz gegen Omikron könne gegen eine Impfpflicht sprechen.

Die Länder verlangten erneut einen Gesetzgebungs-Zeitplan. Zuvor war bekannt geworden, dass eine für die kommende Woche geplante Orientierungsdebatte im Bundestag jedoch abgesetzt worden war. Der SPD-Parlamentsgeschäftsführer Johannes Fechner sagte unserer Zeitung, eine so komplexe Regelung müsse sorgfältig beraten werden. „Die Erforderlichkeit und die Umsetzung einer Impfpflicht muss klar im Gesetz beschrieben sein“, erklärte Fechner: „Diese Fragen werden wir nun beraten und dann möglicherweise im März Beschlüsse fassen.“