Immer mehr Länder sind gegen die vom Bundestag besiegelte Verfassungsreform. Das lähmt auch den Digitalpakt.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Die große Koalition droht mit ihrem Vorstoß für mehr Gemeinsamkeit in Schulpolitik und Bildungsfinanzierung am Widerstand der Länder zu scheitern. Gestern wurde die dafür notwendige Grundgesetzänderung von Union und SPD gemeinsam mit Grünen, FDP und Linken im Bundestag beschlossenen – mit 580 Ja- bei 87 Nein-Stimmen und drei Enthaltungen. Aber das Vorhaben hat in der Länderkammer offenbar keine Mehrheit. Damit gerät auch der Fahrplan des geplanten Digitalpakts für Schulen ins Wanken.

 

Fürs erste hat der Bundesrat die Bitte der Koalition um eine schnellere Behandlung nicht entsprochen, sondern die Entscheidung über die entsprechende Verfahrensfrage auf nächste Woche vertagt. Damit bleibt unklar, ob der Bundesrat sich mit der Verfassungsänderung noch 2018 befassen wird. Auch die Kultusministerkonferenz ließ auf offen, ob die Vereinbarung über den Digitalpakt für die Schulen wie geplant am kommenden Donnerstag verabschiedet wird. Dieses Programm mit einem Volumen von fünf Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt sollte als erstes Projekt auf Grundlage der neuen Verfassungsregeln realisiert werden. Der Startschuss war für Januar 2019 geplant. Der Bund könnte damit künftig generell und direkt bei der Ausstattung von Schulen helfen.

Auch sozialdemokratische Regierungschefs wechseln das Lager

Mit seiner Kritik an der Grundgesetzreform steht Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann nicht mehr allein. Tatsächlich sehen neben Baden-Württemberg auch Bayern, Hessen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen den vom Bundestag besiegelten Verfassungstext nicht als zustimmungsfähig an.

Auch Länder, die Finanzhilfen des Bundes für Bildungsvorhaben bisher positiv gegenüberstanden, haben ihre Meinung geändert. „Die völlig überraschend seitens des Bundes aufgestellten Bedingungen für zukünftige finanzielle Leistungen sind mehr als schwierig. Darüber wird noch intensiv zu sprechen sein“, erklärte Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD). Auch für die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ist die Zustimmung im Bundesrat offenbar kein Automatismus. „Die Länder werden ihre Position rechtzeitig vor der entsprechenden Sitzung des Bundesrates festlegen“, hieß es auf Anfrage. Der Kieler Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) kritisierte die Regel, wonach die Länder bei Bundeszuschüssen für Schulen oder Wohnungsbau künftig die Hälfte beisteuern sollen. „Darüber wird in einem Vermittlungsverfahren zu reden sein“, sagte Günther.

Überraschende Änderung der Regeln

Verärgert sind die Bundesländer nicht nur, weil ihnen Detailinformationen über die beabsichtigten Verfassungsänderungen erst kurz vor dem Beschluss des Bundestags zugänglich gemacht wurden. Unmut löste vor allem aus, dass die Regeln zur finanziellen Lastenteilung überraschend zuungunsten der Länder verschärft wurden.