Bundesagentur für Arbeit Corona-Krise kostet bislang 578.000 Arbeitsplätze

Die Corona-Krise zeigt deutliche Spuren auf dem Arbeitsmarkt. Im Mai, wenn die Arbeitslosigkeit normalerweise zurückgeht, kamen noch einmal 169 000 Arbeitslose hinzu. Zudem ist die Kurzarbeit so hoch wie nie.
Nürnberg - Die Corona-Krise nimmt dem deutschen Arbeitsmarkt weiter die Luft zum Atmen: Völlig untypisch für einen Mai ist die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum April noch einmal um 169 000 Menschen auf 2,813 Millionen gestiegen. Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, geht davon aus, dass inzwischen 578 000 Menschen wegen der Folgen der Corona-Pandemie in die Arbeitslosigkeit gerutscht sind.
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„Jeder fünfte Arbeitslose von den 2,8 Millionen ist gegenwärtig auf den Corona-Effekt zurückzuführen“, sagte Scheele. „Das ist eine beträchtliche Zahl, die man da konstatieren muss.“ Die Allianz-Volkswirtin Katharina Utermöhl hatte vor der Präsentation der Nürnberger Zahlen angemerkt, dass die Errungenschaften auf dem Arbeitsmarkt der vergangenen fünf Jahre durch die Corona-Krise in nur zwei Monaten ausradiert worden seien. Die von einigen Volkswirten prognostizierte Zahl von drei Millionen Arbeitslose in Deutschland rückt in greifbare Nähe.
Wegen Corona – untypischer Mai
Immerhin hat sich die Zahl der Neueinstellungen im Mai im Vergleich zum April etwas gefangen. Der Verband Deutscher Maschinenbauer (VDMA) forderte die Bundesregierung dazu auf, die finanziellen und rechtlichen Hürden für Neueinstellungen zu senken, um mehr Neueinstellungen zu ermöglichen.
Die Arbeitslosigkeit ging im Mai weniger stark nach oben, als im April. Damals waren mehr als 300 000 Menschen wegen der Corona-Krise in die Arbeitslosigkeit gegangen. Normalerweise erlebt der Arbeitsmarkt sowohl im April als auch im Mai einen Frühjahrsaufschwung, die Zahl der Arbeitslosen geht um diese Jahreszeit saisonbedingt üblicherweise nach unten. Für den Juni prognostizierte Scheele ein weiteres Abflachen des Anstiegs, aber noch keine Rückkehr zu einer annähernd normalen Situation.
Rund sechs Millionen Menschen in Kurzarbeit
Die Bundesagentur geht aufgrund einer Schätzung davon aus, dass bis zum 30. April rund sechs Millionen Menschen in Kurzarbeit gewesen sind - in der Spitze könnten es sogar 7,5 Millionen werden. Bis Ende März waren es Hochrechnungen zufolge 2,02 Menschen. Das alleine wäre schon ein neuer Rekord. „Das ist natürlich weit, weit oberhalb von den Zahlen, die wir in der Finanzmarktkrise gesehen haben“, sagte Scheele. Der bisherige Höchststand war im Mai 2009 mit 1,44 Millionen Menschen erreicht worden.
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„Aber es sind auch sechs Millionen Menschen, die nicht arbeitslos sind. Das ist auch ein Zeichen, dass dieses Instrument wirkt“, sagte Scheele. Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) pries die Wirkung der Kurzarbeit. „Sie ist unsere starke Brücke über ein tiefes wirtschaftliches Tal“, sagte er. Die Arbeitslosigkeit wachse in der Krise in Deutschland viel weniger schnell als in anderen europäischen Ländern.
Krise kostet Arbeitsagentur wohl alle Rücklagen
Im Mai wurde von den Unternehmen für weitere 1,06 Millionen Menschen Kurzarbeit angezeigt, sagte Scheele. Diese kommen zu den bereits zuvor getätigten Anzeigen für 10,66 Millionen Menschen hinzu. Die Zahl der tatsächlichen Kurzarbeiter liegt erfahrungsgemäß deutlich darunter, weil Unternehmen die Anzeigen zum Teil vorsorglich vornehmen. Die übergroße Mehrheit der Kurzarbeit stamme aus den klassischen Branchen der Industrie, es seien aber auch eher untypische Berufe aus der Gastronomie oder dem Handel dabei.
Die Bundesagentur steuert wegen der immensen zu erwartenden Ausgaben für Kurzarbeitergeld und auch für mehr Arbeitslosengeld auf ein sattes Defizit zu. Für alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen geht Scheele derzeit von einem Minus von 30,5 Milliarden Euro aus. Dies könnte durch die Rücklagen in Höhe von rund 26 Milliarden Euro nicht mehr gedeckt werden. „Die Rücklage wird nach unseren Prognosen nicht ausreichen“, sagte Scheele. Die Finanzierung der Kurzarbeit sei jedoch sichergestellt, es handele sich um einen Rechtsanspruch.
Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, Sabine Zimmermann, mahnte dennoch zu noch mehr staatlichem Handeln. „Die Bundesregierung muss verhindern, dass Erwerbstätige zum Sozialfall werden. Wenn sie jetzt nicht energisch Gegenmaßnahmen ergreift, droht eine arbeitsmarkt- und sozialpolitische Katastrophe“, betonte Zimmermann. Viele Kurzarbeiter würden zu Hartz-IV-Aufstockern, weil das Kurzarbeitergeld nicht für den Lebensunterhalt reiche. Es müsse deshalb erhöht werden. Die Grünen verlangten, die Bereitschaft zur Weiterbildung finanziell mit einem Bonus zu fördern.
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