Armin Schuster brachte alles mit: Hohe Fachkenntnis und Akzeptanz beim Koalitionspartner. Stoppte die Kanzlerin seinen Aufstieg, weil er in der Vergangenheit zu kritisch war?

Berlin - Hat Bundeskanzlerin Angela Merkel einem Kritiker ihrer Flüchtlingspolitik einen großen Karrieresprung vermasselt? Jedenfalls ist es die Kanzlerin gewesen, die die Berufung des renommierten CDU-Innenpolitikers Armin Schuster zum Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz gestoppt hat. Damit setzte sich Merkel über eine Einigung hinweg, die zuvor Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mit dem Koalitionspartner SPD getroffen hatte.

 

Schuster bestätigte den Vorgang am Freitag gegenüber unserer Zeitung. „Ich habe einen Anruf aus dem Kanzleramt bekommen“, sagte Schuster. Dabei sei ihm mitgeteilt worden, „dass im Kanzleramt die Überzeugung vertreten werde, ich sei als profilierter Innenpolitiker in der Fraktion unverzichtbar“. Ausdrücklich sei darauf hingewiesen worden, „dass die Fraktion mit Stephan Harbarth, der als Richter an das Bundesverfassungsgericht wechselt, bereits einen herben Verlust zu verkraften habe“.

Merkel liefert eine erstaunliche Begründung

Die Begründung erstaunt deshalb, weil Schuster anschließend eben nicht als Nachfolger des ausscheidenden Stephan Harbarth zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden mit Zuständigkeit für die Innenpolitik aufrückte. In einer Kampfabstimmung in der Landesgruppe am vergangenen Dienstag war Schuster knapp seinem Gegenkandidaten Thorsten Frei unterlegen. Dass im Vorfeld die Kanzlerin ihren Einfluss zugunsten Schusters in die Waagschale geworfen hätte, ist jedenfalls nicht bekannt. Zwar hätte sie auf die Abstimmung in der unabhängig agierenden Südwest-Landesgruppe nicht einwirken können. Allerdings hätte es wohl Möglichkeiten gegeben, Frei andere Optionen aufzuzeigen.

Merkels Zurückhaltung heizt Spekulationen über ihre Motive an. Offenbar war sie bei ihrer Intervention nicht von der Überzeugung geleitet, dass das Amt durch den in den Ruhestand versetzten Hans-Georg Maaßen zu stark politisiert worden wäre und deshalb eher ein Beamter in Frage käme. Diese zweifellos vertretbare Sicht ist Schuster jedenfalls nicht übermittelt worden. Dass sie sich dennoch über den Wunsch von Innenminister und Koalitionspartner hinwegsetzte, legt die Erwägung nahe, dass die Kanzlerin Schusters Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik nicht vergessen hat. Schuster hatte sich zwar im Ton stets jede Schärfe gegenüber der Regierungschefin versagt. In der Sache drang er aber seit 2015 regelmäßig auf eine intensivere Kontrolle der Zuwanderung und eine Ausweitung der Grenzsicherung.

Die SPD hätte Schuster und Binninger akzeptiert

Wer Merkel lieber beim Wort nehmen möchte, kann darauf verweisen, dass mit Schusters Abgang auch die wichtige Position des Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) frei geworden wäre. Das Gremium kontrolliert die Arbeit der Nachrichtendienste des Bundes. Die Union dürfte kein Interesse haben, den Posten an die SPD weiterzugeben.

Das Argument geht allerdings ins Leere. Die SPD hätte diesen Anspruch nicht erhoben. Wie unserer Zeitung aus Kreisen der SPD-Innenpolitiker bestätigt wurde, hatte sich die SPD nämlich bereits auf eine Lösung festgelegt, die an der Besetzung des Kontrollgremiums nichts geändert hätte. Da kommt erneut der Südwesten ins Spiel: Die Sozialdemokraten waren zu der Überzeugung gelangt, dass eine Erneuerung des wieder einmal in die Schlagzeilen geratenen Bundesamtes für Verfassungsschutz nur durch eine Besetzung „von außerhalb“ zu schaffen wäre. Deshalb war man bei der SPD von der im Seehofer-Ministerium kursierenden Idee wenig begeistert, den bisherigen Vizechef der Behörde, Thomas Haldenwang, zum Präsidenten zu küren. Die SPD konnte sich dagegen mit dem Böblinger Abgeordneten Clemens Binninger anfreunden. Er war in der vergangenen Legislatur PKGr-Vorsitzender und hatte sich im Bundestag über Jahre hinweg einen exzellenten Ruf als Innenpolitiker und politisch auf Ausgleich bedachter Kopf errungen. Binninger war nach der vergangenen Wahl aus dem Bundestag ausgeschieden und gründete erfolgreich eine Beratungsfirma.

Binninger wäre wohl zu gewinnen gewesen

Vermutlich wäre Binninger letztlich für die Stelle zu gewinnen gewesen. Da im Innenministerium lange keine Entscheidung darüber fiel, ob eher ein Beamter oder ein Politiker die Maaßen-Nachfolge antreten sollte, wurde er sehr spät und wohl auch nicht gerade mit überbordender Vehemenz kontaktiert. Im Gespräch mit unserer Zeitung bestätigte Binninger seine Absage. „Ich habe abgelehnt und auf meine Unternehmensgründung verwiesen.“

Für die SPD war aber auch Schuster akzeptabel. Der Abgeordnete aus dem Wahlkreis Lörrach-Müllheim saß in der vergangenen Wahlperiode im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestag und leitet den Amri-Untersuchungsausschuss, der das Attentat auf dem Breitscheid-Platz aufarbeitet. Dann aber kam das Veto der Kanzlerin – und Haldenwang machte doch noch das Rennen.