Der gebürtige Karlsruher ist ein Kenner der Notenbank, bis 2016 gehörte er dem Vorstand an. Aktuell arbeitet Nagel bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich.

Berlin/Frankfurt - Nachfolger des scheidenden Bundesbankpräsidenten Jens Weidmann dürfte dessen ehemaliger Vorstandskollege Joachim Nagel werden. Er sei der „ideale Kandidat“, hieß es am Freitag aus Koalitionskreisen in Berlin. Zuvor hatte die „Financial Times“ berichtet, der aktuell bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) tätige Nagel sei der aussichtsreichste Kandidat.

 

Der 55-Jährige arbeitete von 2003 bis Ende 2016 bei der Bundesbank, 2010 rückte er als Nachfolger von Thilo Sarrazin in den Vorstand auf. Davor hatte Nagel den in der Finanzkrise besonders geforderten Zentralbereich „Märkte“ geleitet. Dieses Ressort ist auch für die Umsetzung der Geldpolitik zuständig, über die Nagel – sofern er Bundesbankchef wird – künftig im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) mitentscheiden würde.

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Bei der BIZ in Basel, die unter anderem für die internationale Bankenregulierung zuständig ist, ist Nagel stellvertretender Leiter der Bankenabteilung. Neben seiner internationalen Erfahrung spricht für Nagels Berufung an die Bundesbankspitze auch, dass er der künftig größten Regierungspartei SPD angehört. Noch-Bundesbankpräsident Weidmann ist parteilos, war vor seiner Berufung an die Spitze der Notenbank aber Wirtschaftsberater der scheidenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Ein Bundesbanker durch und durch

Nagel gilt als überzeugter Marktwirtschaftler in der Tradition der Bundesbank. Darauf deutet auch eine Rede hin, die er als Vorstandsmitglied der Notenbank im Frühjahr 2012 hielt, auf dem Höhepunkt der Eurokrise: „An der klaren Aufgabentrennung von Fiskal- und Geldpolitik darf nicht gerüttelt werden“, sagte Nagel damals mit Blick auf den Kauf von Staatsanleihen hochverschuldeter Länder durch die EZB.

Als Geldpolitiker ist der Volkswirt, der an der Universität seiner Heimatstadt Karlsruhe promovierte, ansonsten bisher nicht in Erscheinung getreten. Als Nachfolger Weidmanns träte er in große Fußstapfen – denn auch wenn der scheidende Bundesbankpräsident im EZB-Rat mehrfach überstimmt wurde, fand seine Kritik doch Gehör.

Neben Nagel wurden als Kandidaten für den Spitzenposten unter anderen die Ökonomen Marcel Fratzscher und Volker Wieland sowie EZB-Direktorin Isabel Schnabel gehandelt. Eine Berufung Fratzschers oder Schnabels würde für die Bundesbank einen Kurswechsel bedeuten, Wieland wiederum ist der SPD wohl zu konservativ. Die formale Entscheidung über die Personalie dürfte zu den ersten Amtshandlungen der neuen Ampelregierung gehören.thk/bsa