Die Grünen wollen mit Umwelt- und Klimaschutz bei den Wählern punkten. Bei den Meinungsumfragen zahlt sich das bisher nicht aus. Jetzt soll der Parteitag, auf dem das Wahlprogramm beschlossen wird, die Wende bringen.

Berlin - In den nächsten hundert Tagen können wir zeigen: Wir sind die drittstärkste Kraft in diesem Land.“ Cem Özdemir eröffnet den Parteitag der Grünen kämpferisch und optimistisch. Zuvor ist er mit Jesse Klaver, dem historischen Wahlsieger der niederländischen Grünen aus diesem Frühjahr, und Katrin Göring Eckardt zusammen auf die Bühne gelaufen. Özdemir wirbt für das Europa der Freiheit, für Klimaschutz und die Verkehrswende und Integration durch Bildung. „Hundert Tage fighten wir um jede Stimme“, kündigt er an.

 

Der Auftakt des Bundesparteitages in Berlin ist stark geprägt durch die SüdwestGrünen. Nach Özdemir hat später auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann vor den rund 850 Delegierten gesprochen. Danach begann der dreitägige Abstimmungs- und Debattenmarathon. Vorab waren bei der Parteispitze 2200 Änderungsanträge zum 106 Seiten langen Wahlprogrammentwurf eingegangen. Das sind etwas weniger als zum Programm für die vorige Bundestagswahl mit 2500 Änderungsanträgen. „Parteitag vorbereiten ist wie Puzzeln mit verbundenen Augen“, hat Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner unmittelbar vor dem Delegiertentreffen erklärt. Niemand weiß genau, was am Ende dabei rauskommt. Allerdings ist Kellner sich trotz aller Themen, über die die Grünen drei Tage lang streiten werden, in einem sicher: „Die Partei will Geschlossenheit, und die Partei will Erfolg.“

„Die Partei will Erfolg“

Ein Schwerpunkt bei den Auseinandersetzungen wird sich um die Frage ranken, wie hart die Grünen ihre wichtigsten Klimaziele formulieren. Deshalb sind beim Ausstieg aus der Kohle und aus dem Verbrennungsmotor harte Debatten sicher.

Die Grünen haben eine Besinnung auf Geschlossenheit dringend nötig: In aktuellen Umfragen sieht es schlecht aus, nur sieben bis acht Prozent der Wähler würden für die Partei stimmen, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre.

Auch bei Landtagswahlen in diesem Jahr konnten die Grünen nicht wirklich punkten: Im Saarland flogen sie aus dem Landtag, in Nordrhein-Westfalen verloren sie stark, und nur in Schleswig-Holstein holte man solide 12,9 Prozent. Die Kieler Finanzministerin Monika Heinold ist als eine der ersten Rednerinnen gesetzt. Sie hat in Kiel gerade eine „Jamaika-Koalition“ mit der CDU und der FDP ausgehandelt. Dabei ist Jamaika nicht das Ziel im Bund, wie Geschäftsführer Michael Kellner immer wieder betont. Die Grünen wollen endlich wieder dritte Kraft im Bundestag werden. Mit wem sie koalieren wollen, lassen sie offen. Dass es zu dem Thema kaum Änderungsanträge gibt, wurde im Vorfeld des Parteitags als Zeichen gewertet, dass die Partei diesen Kurs mittlerweile akzeptiert hat. Lediglich ein Änderungsantrag, der den Ausschluss einer Koalition mit der CSU verlangt, ist gestellt worden. Aber ob die Grünen die Chance zur Regierungsbildung bekommen, ist angesichts der Umfragen ebenfalls offen. Vom Ziel, im September zweistellig zu werden und als dritte Kraft aus der Wahl hervorzugehen, ist die Partei aktuell weit entfernt. „Zukunft wird aus Mut gemacht“, steht in großen Lettern an der Bühnenwand. Aber Mut müssen die Grünen sich in den nächsten Tagen zunächst selbst machen.

„Der Parteitag muss die Wende bringen“

Beim jüngsten „Deutschlandtrend“ haben 57 Prozent der Befragten erklärt, dass die Partei heutzutage nicht mehr so wichtig sei, weil andere sich auch um Umwelt- und Klima kümmern. Mit 41 Prozent ist dieser Wert auch unter Grünen-Anhängern erstaunlich hoch. Noch einen Dämpfer hat die Umfrage für die Grünen ergeben: Nur 16 Prozent sind der Meinung, dass die Partei überzeugendes Führungspersonal hat. Für Katrin Göring-Eckardt ist deshalb klar: „Der Parteitag muss die Wende bringen.“