Finanzminister Wolfgang Schäuble listet beim Neujahrsempfang der CDU in Degerloch auf, welche Ausgaben wegen der Flüchtlinge auf den Haushalt zukommen. Er lässt aber angesichts der Größe der Aufgabe keinen Zweifel daran, dass dies getan werden müsse.

Stuttgart - Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble könnte eigentlich hoch zufrieden sein: Er hat 2013 versprochen, von 2015 an keine Schulden mehr zu machen und trotzdem die Steuern nicht zu erhöhen – geschafft hat er es schon 2014. Beim Neujahrsempfang der CDU in Stuttgart-Degerloch listet er zudem auf, dass Deutschland die historisch höchste Beschäftigung hat und die niedrigste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung. Auch sein eigenes Licht stellt Schäuble nicht unter den Scheffel: Es sei „verlässliche Finanzpolitik“ gewesen, die nach der schweren Bankenkrise den Menschen in Deutschland so viel Vertrauen zurückgegeben habe, dass sie wieder investieren und konsumieren, sagt er. Alles in allem: „Deutschland steht gut da.“ Doch fehlt ihm jeder Überschwang, denn „die neuen Problemen stellen sich in einem Ausmaß, wie wir es uns nicht vorgestellt haben“.

 

Schäuble beschönigt nichts, aber er dramatisiert auch nicht vor den rund 500 Zuhörern im SSB-Zentrum auf der Waldau. Er versucht Verständnis dafür zu wecken, „dass uns in Europa die Krisen im nahen und mittleren Osten und die Probleme Afrikas nicht loslassen“. Und er macht den Zuhörern unmissverständlich klar: „Wir müssen uns stärker darum kümmern.“ Schnelle Erfolge will Schäuble nicht versprechen – eher das Gegenteil: „Das wird endlos mühsam.“

Immense Ausgaben in Sicht

So stimmt er seine Zuhörer darauf ein, was für den Finanzminister in naher Zukunft nötig wird: mehr Ausgaben für innere und äußere Sicherheit sowie 500 Millionen Euro mehr für die UN-Flüchtlingshilfe, damit die Essensrationen in den Flüchtlingslagern der Region nicht weiter heruntergefahren werden. Mehr Geld auch für sozialen Wohnungsbau, mehr Geld für die Kommunen, die die Flüchtlinge vor Ort versorgen. Schäuble lässt aber keinen Zweifel daran, dass all dies gemeistert werden müsse, weil das Flüchtlingsproblem so groß, so komplex und so schwierig zu lösen sei.

Die innenpolitischen Handlungsfelder wie das Asylpaket II lösen nur Teile des Problems. Schäuble verteidigt ausdrücklich den Kurs der Kanzlerin und seine Landsleute, die mit ihren Anstrengungen das Bild Deutschlands in der Welt positiv prägen. „Aber man muss auch die Sicherheit und die soziale Sicherheit gewährleisten. Und wenn bei einer Million Flüchtlingen fünf bis sechs Millionen Menschen über den Familiennachzug dazukommen, dann geht das schief.“

Die EU soll vorangehen

Schäuble zeigt Verständnis für die Kritik an den europäischen Partnern, die so tun, als sei alles nur ein deutsches Problem. „Wir machen das nicht für andere“, korrigiert er, „sondern wir profitieren von den offenen Grenzen am meisten. Wir haben deshalb auch am meisten zu verlieren.“ Das sei „wahnsinnig mühsam“, räumt Schäuble ein. Es gehe ihm nicht schnell genug, aber statt seinerseits Kritik an den EU-Partnern zu üben, wirbt er um Verständnis, weil die Situation so unterschiedlich ist: Ein Teil der Länder habe massive Wirtschaftsprobleme und Angst vor Reformen – wie Frankreich und Italien. Bei manchen osteuropäischen Ländern denke er: „Herrschaft noch mal, des isch jetzt aber au net so gschickt.“ Sie müssten Umstrukturierungsprozesse bewältigen wie Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung. Schäubles Gedankenwelt taugt nicht für simple Antworten, sie mündet aber in eine klare Perspektive: Europa sei in einer kritischen Phase, aber es sei besser, wenn die EU bei der Lösung der großen Probleme vorangehe.