Landesfinanzministerin Sitzmann fordert vom Bund schnell einen Vorschlag. Kommt jetzt eine neue Bewertung mit Bodenwert?
Berlin - Bund und Ländern droht bei der Reform der Grundsteuer die Zeit davonzulaufen. Die Steuer, die Eigentümer bezahlen und auf Mieter umgelegt wird, ist für Städte und Gemeinden unverzichtbar. Die Länder werden ungeduldig, weil der Bund bisher noch keine Pläne vorgelegt hat. Die baden-württembergische Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) sagte unserer Zeitung: „Ich erwarte, dass der Bundesfinanzminister schnell konkrete Vorschläge für die Grundsteuerreform vorlegt.“ Für die Kommunen gehe es um Einnahmen über knapp 14 Milliarden Euro jährlich. „Deshalb sind die Länder zu Recht ungeduldig“, sagte Sitzmann. Sie betonte, dass Städte und Gemeinden Planungssicherheit bräuchten. „Die Zeit wird knapp“, sagte Sitzmann. Bis Jahresende müssten sich Bund und Länder auf gemeinsame Eckpunkte geeinigt haben.
Die bisherige Regelung ist verfassungswidrig
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte in der vergangenen Woche im Bundestag angekündigt, bis Jahresende Eckpunkte für eine Reform vorzulegen. „Das ist schon denkbar knapp“, sagte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, unserer Zeitung. Der Zeitplan dürfe sich auf keinen Fall verzögern. Das Bundesverfassungsgericht hatte die bisherige Regelung für verfassungswidrig erklärt und verlangt, dass die Ende 2019 eine gesetzliche Neuregelung verabschiedet ist. Das ist eine Mammutaufgabe, denn die Finanzverwaltung muss 35 Millionen Häuser, Wohnungen und Grundstücke neu taxieren – davon allein 5,5 Millionen in Baden-Württemberg. Die neuen Bewertungsregeln müssen nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts spätestens bis zum Jahr 2024 umgesetzt sein.
Die Leitungsebene des Ministeriums ist unentschieden
Im Bundesfinanzministerium verzögerte sich die Arbeit an Eckpunkten, weil sich das Ministerium uneins über die Ausgestaltung ist. Nach Informationen unserer Zeitung legte die Steuerabteilung des Ministeriums ein Konzept für die Neuregelung vor. Doch die Leitungsebene des Ministeriums ist noch unentschieden. Das Zögern könnte auch damit zusammenhängen, dass die Pläne weitreichende Folgen für Eigentümer und Mieter haben. Sitzmann betonte zwar, durch die Reform solle nicht mehr Geld in die Staatskasse gespült werden. „Es wird aber Veränderungen für die einzelnen Steuerzahler geben – nach oben wie nach unten.“
Die meisten Bundesländer hatten sich in der Vergangenheit im Bundesrat für ein Bewertungsmodell ausgesprochen, das neben dem Bodenwert auch Baujahr und Baukosten berücksichtigt. Dagegen votierten Bayern und Hamburg, die ein Modell favorisierten, das sich in erster Linie nach der Fläche richtet. Scholz war bis Frühjahr diesen Jahres Erster Bürgermeister von Hamburg. Nach Informationen unserer Zeitung signalisierte der Bundesfinanzminister inzwischen intern, dass er vom wertunabhängigen Modell abrückt. „Das ist mit der SPD nicht zu machen“, hieß es in Koalitionskreisen. Darauf bestehe dem Vernehmen nach die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles.
Plädoyer für ein „einfaches und schnelles Verfahren“
Auch die baden-württembergische Landesregierung lehnt ein wertunabhängiges Modell ab. „Ich kann mir nicht vorstellen, die Grundsteuer in erster Linie nach der Fläche zu bemessen“, sagte Sitzmann. Der Immobilienwert müsse in die Berechnung einfließen. Das Bundesfinanzministerium sucht nun eine Variante, die den Wert der Immobilie berücksichtigt. Es wird geprüft, ob die Bodenrichtwerte, die von den Kommunen regelmäßig erhoben und aktualisiert werden, in die Bemessung der Steuer einfließen. Bodenrichtwerte dienen Kommunen oder Maklern schon heute zur Wertermittlung. Thomas Eigenthaler, Vorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, sagte: „Wir sollten ein einfaches und schnelles Verfahren haben, das die Verhältnisse der Grundstücke untereinander gerecht widerspiegelt.“ Eigenthaler sprach sich dafür aus, für die Ermittlung des Grundstückswert die Bodenrichtwerte heranzuziehen. Der Wert der daraufstehenden Gebäude könne dann in pauschalierter Form erfolgen. Diese Lösung habe den Vorteil, dass sie die Finanzämter in der vorgegebenen Frist umsetzen könnten. Die Werte, an denen sich die Grundsteuer bemisst, stammen im Westen aus dem Jahr 1964 und im Osten von 1935. Deshalb muss das Gesetz geändert werden.