In der Diskussion um die Bundesjugendspiele mischen jetzt auch Olympiasieger wie Robert Harting mit. Der Diskusstar fordert den Erhalt der Schulsportveranstaltung – und benennt die Gründe klar.

Stuttgart - Jetzt hat auch der Diskus-Olympiasieger und Weltmeister Robert Harting in die hitzige Diskussion um die Bundesjugendspiele (die StZ berichtete) eingegriffen und eindeutig Position für den Schulsport-Wettkampf ergriffen. „Sport bringt mehr als nur Fitness. Er bringt Alltagssystematik und Distanz zu Drogen und Kriminalität“, sagt der zweimalige Sportler des Jahres und ruft nun seine Fans auf, eine Gegenpetition („Bundesjugendspiele nicht abschaffen“) zu unterstützen. Hintergrund: die Konstanzer Stadträtin und Journalistin Christine Finke hatte in einer Onlinepetition die Abschaffung der Spiele gefordert und eine massive Diskussion im Internet und darüber hinaus ausgelöst.

 

Was ist passiert? Die zwölfjährige Lotta, eine von mehr als fünf Millionen Teilnehmern an den Bundesjugendspielen, ist nach diesem Wettkampf freudenstrahlend nach Hause gekommen. „Hier, ich habe eine Ehrenurkunde geschafft“, erzählte sie ihren Eltern. Sogar der Bundespräsident gratuliert mit seiner Unterschrift. 7,7 Sekunden ist sie die 50 Meter gerannt, 3,90 Meter weit gesprungen, mit dem Ball schaffte sie 32 Meter. Tim dagegen ist mit Tränen in den Augen heimgekommen. Ihm hat es lediglich zu einer Teilnehmerurkunde gereicht, unterschrieben vom Sportlehrer. Für ihn kam die Teilnahme an diesem Schulsportwettkampf einer Niederlage gleich. Offenbar auch für seine Mutter.

Christine Finke glaubt, dass die Bundesjugendspiele in der jetzigen Form die Schüler demotivieren und sie unter sozialen Druck setzen. Für viele weniger sportliche Schüler würden diese Spiele einer alljährlich wiederkehrenden öffentlichen Demütigung gleichkommen. Die anderen sehen im Umgang mit Sieg und Niederlage im Sport eine gute Lebensschule.

Demütigung oder wichtige Persönlichkeitsbildung?

Seit 1951 ist dieser leichtathletische Dreikampf Bestandteil des Schulsports. 1979 wurde er um Schwimm- und Turndisziplinen ergänzt. „Die Bundesjugendspiele sind ein unverzichtbarer Baustein, Jugendlichen Freude an Wettkampf und Bewegung zu vermitteln“, sagt Clemens Prokop, der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbands. Die Bundesjugendspiele würden zudem wichtige pädagogische Erfahrungen enthalten, wonach Kinder durch Anstrengung und Fleiß ihre Leistungsgrenzen verschieben können, ergänzt der DLV-Chef.

In dieselbe Richtung argumentieren auch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig und Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, indem sie auf die Erfahrung der eigenen Leistung als Teil der Persönlichkeitsbildung bei den Bundesjugendspielen hinweisen. In Zeiten, wo alles, auch im Sport, anscheinend nur noch Spaß machen soll, tut man sich in der Sportpädagogik schwer, den Wettkampfgedanken als wichtigen Bestandteil schulsportlicher Erziehung gegen sogenannte Helikopter-Eltern durchzusetzen. Die Chancen für den Transfer sportlicher Werte für andere gesellschaftliche Bereiche sinken aber, wenn man gewinnen und verlieren, sich vergleichen und messen abschaffen will. „Vieles im Leben ist Wettbewerb, Wetteifern und Vergleichen und von Anstrengungsbereitschaft geprägt“, sagt Fred Eberle.

Der DLV-Vizepräsident für Bildung und Wissenschaft und frühere Trainer des ehemaligen Weltklasse-Zehnkämpfers Siggi Wentz gilt als pädagogisches Gewissen im Leichtathletikverband und hat bereits 2001 eine Konzeption „Neue Bundesspiele“ auf der Grundlage einer neuen, pädagogisch ausgerichteten Kinderleichtathletik mit erarbeitet, die in der Praxis längst erprobt ist. Hier geht es um Teamwettbewerbe im Ausdauer-Biathlon, um die Dreiecks-Sprintstaffel, den Hindernis-Hoch-Weitsprung oder den Zonen-Weitwurf. Dieser Wettbewerb soll den klassischen Bundesjugendspiele-Wettkampf ergänzen.

Neues Konzept für Bundesjugendspiele

Die Verantwortlichen im DLV betonen, dass die Bundesjugendspiele eigentlich weniger die Talentförderung befeuern, sondern den Schulsport mit ihrem Eventcharakter bereichern sollten. „Für die Talentfindung dient eher Jugend trainiert für Olympia“, sagt der DLV-Schulsportbeauftragte Günter Mayer. Er kritisiert die Mehrheit der Sportlehrer dafür, dass sie die neuen Bundesjugendspiele noch nicht flächendeckend umgesetzt hätten.

Mit diesen neuen Spielen wären vielleicht auch die Gegner der Bundesjugendspiele einverstanden. Lotta ist übrigens später Landes-Jugendmeisterin über 100 Meter geworden. Und Tim hat mit 24 in der Vorbereitung auf sein Uni-Examen mit regelmäßigem Joggen begonnen. Vielleicht hat er gemerkt, dass ein gesunder Geist nur in einem fitten Körper arbeiten kann.