Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will Kindern die Angst vor unkalkulierbaren Forderungen nehmen. Wer mehr als 100 000 Euro verdient, wird unterhaltspflichtig. Auf die Städte kommen neue Kosten zu.

Berlin - Kinder von Pflegebedürftigen werden künftig finanziell entlastet. Das ist das Ziel eines Gesetzes von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), das das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen hat. Danach muss künftig Unterhalt für pflegebedürftige Eltern bezahlen, wer brutto mehr als 100 000 Euro im Jahr verdient. So wolle er den Familien „die Angst vor unkalkulierbaren finanziellen Forderungen“ nehmen, sagte Heil.

 

Wenn Rente oder Vermögen nicht ausreichen, um für einen Platz im Pflegeheim aufzukommen, übernimmt das kommunale Sozialamt den fehlenden Betrag und leistet die so genannte Hilfe zur Pflege. Dann prüft die Behörde, ob die erwachsenen Kinder des Pflegebedürftigen ihren Eltern Unterhalt schulden. Dabei wird das Nettoeinkommen des Kindes ermittelt, von dem anschließend bestimmte Positionen abgezogen werden – so zum Beispiel, was ein Kind für die eigene Altersvorsorge, für den Hauskredit oder für berufsbedingte Ausgaben bezahlen muss.

Entscheidend ist das bereinigte Nettoeinkommen

Von dem so berechneten, bereinigten Nettobetrag wird dann ein Selbstbehalt abgezogen, der derzeit bei Ledigen 1800 Euro und bei Verheirateten 3240 Euro im Monat beträgt. Die Hälfte der so errechneten Summe macht den Unterhalt an die Eltern aus. Bei einem bereinigten Nettoeinkommen von 2000 Euro und dem Selbstbehalt von 1800 Euro ergibt sich nach Angaben des Verbraucherratgebers „Finanztip“ ein Unterhaltsanspruch von 50 Prozent aus 200 Euro, also 100 Euro. Hat ein Pflegebedürftiger, der Hilfe zur Pflege bekommt, mehrere Nachkommen, sind alle Kinder zum Unterhalt von Vater oder Mutter verpflichtet – und zwar je nach ihrer individuellen Zahlungsfähigkeit aufgrund des bereinigten Netto-Betrags und des Selbstbehalts.

Wie viele Bürger in Deutschland welche Summe an Pflege-Elternunterhalt bezahlen, ist nicht bekannt. Fest steht aber, dass die Kommunen steigende Ausgaben für die „Hilfe zur Pflege“ haben. Daran wird sich wohl auch nichts ändern. Denn der „Eigenanteil“, den Bewohner eines Heims für den Heimplatz bezahlen müssen, ist gestiegen und beläuft sich in Baden-Württemberg im Durchschnitt auf 2116 Euro im Monat. Weil viele Ältere diesen Betrag nicht stemmen können, springt das Sozialamt ein und zahlt das, was es nicht als Elternunterhalt bei den Kindern des Pflegebedürftigen eintreiben kann. Die Stadt Freiburg hat beispielsweise zuletzt fast 18,2 Millionen Euro für die Hilfe zur Pflege ausgegeben. Bei 54 Personen wurde eine Unterhaltszahlung von Kindern von insgesamt 160 000 Euro festgesetzt. Das machte im Schnitt eine monatliche Zahlung von etwa 250 Euro aus.

Eigenanteil vor allem wegen der Personalkosten nötig

Der Eigenanteil geht vor allem auf die Personalkosten eines Heims zurück. Die werden sich erhöhen, weil die Bundesregierung dafür eintritt, dass Pflegekräfte überall in Deutschland gut bezahlt werden. Offen ist aber, wie Berlin dieses Ziel erreichen kann – über einen allgemein verbindlichen Tarifvertrag in der Altenpflege oder einen höheren Mindestlohn. Schon länger gibt es eine politische Debatte, wie der Eigenanteil begrenzt werden kann.

Die Grünen schlagen dafür ein Modell vor, bei dem der Anteil begrenzt wird und der Staat sowie die Pflegeversicherung einspringen, wenn ein Heim ihn wegen höherer Personalkosten anhebt. „Statt immer nur an einzelnen Schrauben zu drehen, sollte die Bundesregierung endlich ein schlüssiges Gesamtkonzept vorlegen, das gute Pflege in den nächsten Jahrzehnten ermöglicht und die pflegebedürftigen Menschen, deren Angehörige, aber auch die Kommunen vor der Überlastung schützt“, sagt die Grünen-Abgeordnete Kordula Schulz-Asche.

Der Deutsche Caritasverband begrüßte Heils Gesetz. „Damit kann den Pflegebedürftigen die verbreitete Angst genommen werden, eine Entscheidung für eine stationäre Pflege könne die finanzielle Situation der ganzen Familie nachhaltig belasten.“ Für die neuen Belastungen der Städte und Gemeinden müsse aber rasch eine Lösung gefunden werden.