Fast ein Eklat: Bei ihrem Besuch in St. Petersburg kann die Bundeskanzlerin Angela Merkel erst nach hektischer Diplomatie reden. Der Grund: Es geht um das heikle Thema Beutekunst.

St. Petersburg - Es ist alles wieder gut zwischen dem Kremlchef und der Kanzlerin. Gemeinsam verkündeten Wladimir Putin und Angela Merkel am Freitagabend die frohe Botschaft in St. Petersburg. Am Morgen hatte es noch nach einer kleinen Eiszeit in den russisch-deutschen Beziehungen ausgesehen. Der Kanzlerin wäre bei ihrem Tagesausflug beinahe ein ganz besonderer Kunstgenuss entgangen. Am Rande des International Economic Forums, zu dem Merkel nach Petersburg gereist war, wollte sie eine Ausstellung besuchen mit dem Titel „Bronzezeit – Europa ohne Grenzen“.

 

Dort werden auch Objekte gezeigt, die bis Kriegsende den Beständen des Museums für Ur- und Frühgeschichte in Berlin angehört hatten und dann von der Sowjetarmee als „Beutekunst“ requiriert worden waren. Über die Rückgabe solcher Kunstgegenstände gibt es seit geraumer Zeit einen Konflikt mit Russland. Merkel wollte   dieses Thema bei ihrem Museumsbesuch nicht aussparen. Der Besuch wurde wohl deswegen zunächst kurzfristig gestrichen.

Offiziell hieß es, man habe in gegenseitigem Einvernehmen und auf russischen Vorschlag hin auf diesen Programmpunkt verzichtet, so der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter. Es habe „kein Gefecht“ auf diplomatischem Parkett gegeben, so Streiter. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung hatte Merkel ihren Gastgebern signalisiert, dass sie bei einer Ansprache in der Eremitage die deutsche Rechtsposition im Konflikt über die Beutekunst darzulegen gedenke. Die Russen hätten zu erkennen gegeben, dass sie keinen Wert auf ein solches Grußwort legten. Daraufhin habe Merkel den Besuch abgesagt.

Beutekunst als heikles Thema für Deutschland und Russland

Am Nachmittag teilte der russische Präsident Wladimir Putin schließlich mit, dass er die Ausstellung doch gemeinsam mit Merkel besuchen werde. Die Kanzlerin bestätigte, dass Unstimmigkeiten ausgeräumt seien. „Ein direktes Gespräch zwischen dem Präsidenten und mir hat dazu geführt, dass wir die Ausstellung eröffnen“, sagte Merkel.

Bei der gemeinsamen Eröffnung der Ausstellung am Freitagabend sagte Merkel dann, 600 Kunstschätze seien aus Deutschland. „Wir sind der Meinung, dass diese Ausstellungstücke wieder zurück nach Deutschland kommen sollen.“ Sie sollten den Eigentümern oder deren Rechtsnachfolgern zurückgegeben werden. Merkel betonte, Deutschland und Russland hätten nach dem Krieg so viel geschafft. Deshalb sei sie hoffnungsfroh, dass auch dieses Problem gelöst werde. Sie bedankte sich ausdrücklich dafür, dass die Exponate überhaupt erstmals öffentlich gezeigt werden. „Das ist ein wichtiger Schritt.“ Putin nannte das Thema Beutekunst „eine sehr heikle Frage für die Gesellschaften beider Länder“. Man müsse gemeinsam nach Lösungen suchen und dürfe das Thema nicht aufblasen. „Was macht es einem ganz normalen Bürger aus, wo die Kulturgüter zu sehen sind - in Berlin, Sankt Petersburg, Moskau oder in der Türkei.“

Der Ravensburger CDU-Politiker Andreas Schockenhoff, Koordinator für die deutsch-russische Zusammenarbeit, verteidigte Merkels zunächst harsche Reaktion. „Sie kann sich nicht vorschreiben lassen, was sie sagen darf und was nicht“, erklärte er. Der Freiburger SPD-Abgeordnete Gernot Erler, zu Zeiten der Großen Koalition Staatsminister im Auswärtigen Amt, wertete den Zwischenfall als „weiteres Indiz dafür, dass es um die deutsch-russischen Beziehungen zurzeit nicht zum Besten bestellt ist“.