Ausgerechnet der Merkel-Kritiker Bosbach soll das Zugpferd beim CDU-Aschermittwoch sein? Diese Idee von Landesparteichef Strobl finden nicht alle toll. Vorher aber winkt der Kanzlerin im Südwesten noch ein Preis.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Das Dementi von Thomas Strobl fiel derart lau aus, dass es schon fast wie eine Bestätigung klang. Er sei Teil einer „Viererbande“, die die CDU wieder auf einen konservativen Kurs zurückführen wolle? Zusammen mit seinem Staatssekretär Martin Jäger, seinem Schwiegervater Wolfgang Schäuble und dessen Staatssekretär Jens Spahn plane er eine Art Rebellion gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel? Was der „Spiegel“ da berichte, entgegnete der CDU-Landeschef im Dezember vor Journalisten, sei „in Teilen Spekulation“, aber „selbstverständlich zulässig“ und „durch die Meinungsfreiheit gedeckt“. Er wolle und müsse es aber nicht kommentieren.

 

Erst auf die verdutzte Nachfrage, wie denn nun sein Verhältnis zu Merkel sei, legte Strobl nach. „Bestens“, behauptete er und verwies auf die jahrelange „exzellente“ Zusammenarbeit. Nicht nur aus Loyalität als einer ihrer Stellvertreter stehe er hinter der Parteichefin, sondern aus „sehr, sehr großer Überzeugung“.

Kritik an Merkel aus der Südwest-CDU

Gewisse Zweifel waren kurz davor auch beim CDU-Bundesparteitag in Essen aufgekommen. Dort hatte nicht nur Strobl mit harten Positionen zur Abschiebung den Leitantrag geprägt – ein Kontrapunkt zur Linie der Kanzlerin. Gerade Delegierte aus Baden-Württemberg fielen zudem durch scharfe Kritik an Merkel auf, etwa Christine Arlt-Palmer aus Stuttgart. Durch ihren Kurs habe sie unnötig Terrain für die AfD preisgegeben, das die Union nicht wieder zurückerobern werde. Man müsse aufpassen, dass zwischen den Landesverband und die Parteichefin kein Keil getrieben werde, hieß es später im Südwest-Vorstand. Mit Distanz zu Merkel sei die Bundestagswahl nicht zu gewinnen, das habe man schon bei der Landtagswahl schmerzlich feststellen müssen.

Kurz nach dem Jahreswechsel droht der Landes-CDU nun eine neue Debatte darüber, wie sie sich zu Merkel positioniert. Anlass ist die große Aschermittwochskundgebung am 1. März in Fellbach. Hauptredner wird dort ein Christdemokrat sein, der als politischer Widersacher oder gar „Quälgeist“ der Kanzlerin gilt: der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach, Innenexperte der Fraktion und Dauergast in Talkshows. Von dem hervorragenden Rhetoriker, der auch aus Frust über Merkel nicht wieder kandidiert, verspricht sich die Parteispitze erhebliche Zugkraft. Es wurde sogar überlegt, ob die 1500 Plätze nicht zu knapp seien. Er bekomme „viele positive Rückmeldungen aus der Partei“, berichtet der Generalsekretär Manuel Hagel.

Ruf nach Ausladung läuft ins Leere

Doch es gibt auch Bedenken, ob die Einladung Bosbachs das richtige Signal sei. Immer wieder hatte sich der Merkel-Kritiker, der auch beim einstigen Kanzleramtschef Pofalla in Ungnade gefallen war („Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen“), die CDU-Chefin aufs Korn genommen. Erst äußerte er Bedenken gegen ihre Euro-Rettungspolitik, dann gegen ihren Kurs in der Flüchtlingskrise. Nach der Grenzöffnung im Herbst 2015, mahnte er, hätte man „zum geltenden Recht zurückkehren müssen“. Damit sei Bosbach zum „Kronzeugen“ für die AfD geworden, konstatiert der CDU-Landesvorständler Christian Bäumler. Just ihn im Wahljahr auf die Bühne zu holen sei nicht sehr hilfreich. Doch Bäumlers Aufforderung, den Hauptredner wieder auszuladen, lief ins Leere. Bosbach werde nicht gegen die Kanzlerin sticheln, sondern über die gerade sehr aktuelle Innenpolitik sprechen, beruhigt der Generalsekretär; Präsidium, Vorstand und Kreischefs stützten die Einladung.

Eugen-Bolz-Preis für die Kanzlerin

Klaren Rückenwind erhält Merkel hingegen von einem anderen CDU-Mann aus dem Land: dem Rottenburger Oberbürgermeister Stephan Neher. Schon im Herbst 2015 hatte Neher ein Schreiben von 36 Rathauschefs und Landräten initiiert, das ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik verteidigte. Als Vorsitzender des Stiftungsrates der Eugen-Bolz-Stiftung, wird er der Kanzlerin nun, am 1. Februar in Stuttgart, den Eugen-Bolz-Preis 2017 überreichen. Wie der frühere württembergische Staatspräsident und „große christliche Widerstandskämpfer“ gegen die Nazis, so die Begründung, stehe sie „gerade auch dann zu ihrer Überzeugung und übernimmt Verantwortung, wenn Kritik und Anfeindungen zunehmen“. Gewürdigt werde Merkels Eintreten für humanitäre Werte und die „Willkommenskultur“ sowie für die Abgrenzung nach rechts. Die Laudatio hält der Münchner Kardinal Reinhard Marx, auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) als bekennender Fan der Kanzlerin wird sprechen.

In den Wahlkampf greife man damit nicht ein, versichert Neher: über die Verleihung des Preises sei schon entschieden worden, noch bevor Merkel ihre erneute Kandidatur erklärte. Insgesamt seien die Reaktionen überwiegend positiv ausgefallen; „eine bessere Wahl hätten Sie nicht treffen können“, hieß es etwa. Per Mail oder auf Facebook gab es aber auch schroffe Kritik. Ausgerechnet die „Verräterin des Christentums“ werde geehrt? „Denn sie wissen nicht, was sie tun“, ätzte ein Kommentator. „Wäre ja auch seltsam, wenn alle einer Meinung wären“, meint der Stiftungsratschef dazu.

Mehr über das Verhältnis zwischen Kanzlerin und Landes-CDU wird man am übernächsten Wochenende sagen können. Dann kommt Merkel erstmals zur traditionellen Klausur der Funktions- und Mandatsträger im Kloster Schöntal. Im Anschluss könnte es einen gemeinsamen öffentlichen Auftritt mit Thomas Strobl geben.