Die Kanzlerin bindet den Konservativen Jens Spahn als Minister in ihrem möglicherweise vierten Kabinett ein. Das dürfte ihr auf dem CDU-Parteitag Ruhe verschaffen, parteiinternen Revolten vorbeugen und die eigene Position sichern.

Berlin - Angela Merkel hat das Puzzle zusammengesetzt, und das nun sichtbar gewordene Bild gefällt ihrer Partei. Die CDU-Chefin erfüllt den massiv an sie herangetragenen Wunsch, ihre Ministerriege möge doch die „gesamte Breite der Partei“ widerspiegeln. Das war als Kritik gemeint, Merkel ist darauf eingegangen.

 

An den Merkelianern Peter Altmaier und Ursula von der Leyen, die zu den engsten Vertrauten der Kanzlerin zählen, zeigt sich das nicht unbedingt. Altmaier erhält für treue Dienste als Kanzleramtschef das Wirtschaftsressort, von der Leyen bleibt trotz ihres zwiespältigen Ansehens in der Truppe Verteidigungsministerin. Und auch wenn manche der designierten Agrarministerin Julia Klöckner gelegentlich das Etikett „konservativ“ anheften, so hat sie als CDU-Vize doch Merkels Politik über viele Jahre mitgetragen.

Berufung von Jens Spahn

Das in dieser Hinsicht wichtigste Erneuerungssignal nach innen und außen ist ohne Zweifel die Berufung von Jens Spahn. Das 37-jährige CDU-Präsidiumsmitglied, bisher Finanzstaatssekretär, hat Merkel zwar nie frontal angegriffen, ihrer Zuwanderungspolitik aber immer wieder Reden über „Heimat“, „Leitkultur“ und zuletzt „Übersichtlichkeit“ entgegengesetzt. Offen zutage getreten war der Dissens auf dem Parteitag Ende 2016, als Spahn gegen Merkels Willen einen Antidoppelpass-Beschluss organisierte. Nach den Jamaika-Sondierungsgesprächen berichteten CDUler hinter vorgehaltener Hand gar, Spahn habe die Verhandlungen torpediert, um Merkel zu schwächen. Beweise dafür gibt es freilich nicht.

Der Münsteraner Spahn war schon gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Ihm das Ministerium übertragen zu wollen, muss also keine vergiftete Beförderung sein. In seinem Umfeld hieß es am Sonntag, Spahn könne gleich loslegen, sich um Nachwuchs für Pflegeberufe, die boomende Gesundheitswirtschaft und die Abwehr weiterer SPD-Vorstöße in Richtung Bürgerversicherung kümmern. Dennoch gibt es kaum Überlappungen mit den Themen, mit denen sich Spahn zuletzt einen Namen gemacht hat. Inhaltlich eher gepasst hätte der Posten des Staatsministers für Integration, der aber im Kanzleramt angesiedelt und somit kein Hausherr eines eigenen Ministeriums ist.

Baden-württembergische CDU ohne klassisches Ressort

Dieses Amt soll Annette Widmann-Mauz übernehmen. Die Vorsitzende der Frauen-Union und Gesundheitsstaatssekretärin aus Tübingen war als Gesundheitsministerin im Gespräch – nun bleibt Baden-Württembergs CDU, lange über Wolfgang Schäuble im Kabinett vertreten, ohne klassisches Ressort. Landeschef Thomas Strobl sieht seine Partei in Berlin mit Schäuble als Bundestagspräsident und Volker Kauder als Unionsfraktionschef dennoch „hervorragend aufgestellt“, auch weil Widmann-Mauz nun im Kanzleramt „Tür an Tür mit Angela Merkel“ für „eines der absoluten Megathemen der kommenden Jahre“ zuständig sei.

Sich selbst gut zureden müssen auch die Landesverbände im Osten. Trotz anders lautender Forderungen in den vergangenen Tagen wird die Kanzlerin selbst die einzige CDU-Vertreterin aus den neuen Ländern sein. Ihr künftiger Kanzleramtschef Helge Braun stammt auch „nur“ aus Hessen.

Anja Karliczek als Bildungsministerin ist eine Überraschung

Eine „Überraschung“ gelingt Merkel noch, weil bis zur CDU-Präsidiumssitzung um 16 Uhr der Name der designierten Bildungsministerin geheim bleibt. Die 46-jährige Bundestagsabgeordnete Anja Karliczek aus Nordrhein-Westfalen ist nach nur einer Legislaturperiode in der Unionsfraktion bereits zur Parlamentsgeschäftsführerin aufgestiegen, wo sie auch Merkel auffiel, wenn auch nicht als Bildungspolitikerin.

Karliczek, die schon den Hotelbetrieb ihrer Eltern geleitet hat, gilt als „zupackend“ und als „Organisationstalent“, wie es in der Fraktion heißt. Nebenbei erfüllt Merkel mit der Personalie auch den Anspruch, im Kabinett für einen Frauenanteil von mindestens 50 Prozent zu sorgen – geopfert wurden dafür Thomas de Maizière und Hermann Gröhe. Selbst wenn die CSU zwei Männer und eine Frau entsenden sollte, wäre die Parität immer noch gesichert.

Zusammen mit Spahns Einbindung und Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Generalsekretärin dürfte Merkel die Voraussetzungen geschaffen haben, dass der Parteitag an diesem Montag ihr ohne größeren Widerspruch den Weg in eine vierte Amtszeit ebnet. Dafür müssten nächstes Wochenende nur noch die SPD-Mitglieder Ja zur nächsten Groko sagen.