Bis Weihnachten soll die neue Regierung stehen. Das ist eine lange Frist. In der Vergangenheit ging es eigentlich fast immer schneller – außer einmal.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Berlin - Bis Weihnachten will der Wahlsieger Olaf Scholz (SPD) die neue Regierung gebildet haben – sofern ihm das gelingt. Das wären nicht mehr ganz drei Monate. Schaut man in die Geschichte der Bundesrepublik, ist die Frist recht großzügig bemessen. Im Durchschnitt konnte nach etwa fünf bis sechs Wochen die neue Regierung vereidigt werden. Allerdings zeigte der Trend zuletzt eindeutig nach oben. Der Grund dafür ist durchaus nachvollziehbar, denn möglichst viele strittige Punkte sollen bereits in den Koalitionsverhandlungen geklärt werden, um dann eine reibungsarme Regierungsarbeit zu ermöglichen.

 

In der frühen Bundesrepublik ging dies meistens schnell. So stand die erste Regierung unter Konrad Adenauer (CDU) im Jahr 1949 bereits nach 37 Tagen. Allerdings war Adenauer auch der Grund für den ersten Ausschlag nach oben in der Regierungsbildungsstatistik. Seine Weigerung abzutreten, überschattete die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und der damals erstarkten FDP im Jahr 1961. Schließlich einigte man sich darauf, dass der damals schon über 80-Jährige nur eine halbe Wahlperiode bleiben werde.

Kiesinger feiert noch, während Brandt verhandelt

Überraschend ist aber, dass ein Wechsel der Regierungsfarben nicht immer auf lange Koalitionsverhandlungen hindeuten muss. So ging es 1969 gerade deshalb sogar besonders schnell. Während der bis dahin amtierende Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) sich noch auf eine Neuauflage der Großen Koalition einstellte, vereinbarten SPD und FDP eine Regierungsbildung unter Willy Brandt (SPD).

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Nach der Rekordzeit von nur 24 Tagen konnte die erste sozialliberale Koalition ihr Amt antreten. Genauso lange benötigten CDU/CSU und FDP nach der Wahl 1983. Allerdings lag damals das konstruktive Misstrauensvotum, mit dem Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) durch Helmut Kohl (CDU) ersetzt worden war, nur wenige Monate zurück.

Schröder hat es eilig

Schnell ging es auch 1998. Nach der gewonnenen Bundestagswahl benötigte Gerhard Schröder (SPD) lediglich 30 Tage, um sich mit den Grünen auf ein gemeinsames Regierungsprogramm zu einigen und dem Bundespräsidenten die Ministerliste zu schicken. Auch die Neuauflage von Rot-Grün nach der Wahl 2002 wurde in 30 Tagen verhandelt.

Deutlich länger dauerte es 2005, als die Wähler den Bundestagsparteien ein Patt bescherten. Es vergingen 65 Tage, ehe Angela Merkel (CDU) von Union und SPD erstmals zur Kanzlerin gewählt werden konnte. Noch komplizierter war die Neuauflage der Großen Koalition nach der Wahl 2013. Die FDP, 2009 zur Regierungspartei aufgestiegen, war an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Allerdings reichte es auch nicht für Rot-Grün. So verstrichen 86 Tage, dann erst konnte Merkel ihr drittes Kabinett vorstellen.

Merkel hält den Sondierungsrekord

Nur einmal ging es auch bei Merkel schnell. Die christ-liberale Koalition von 2009 stand innerhalb von 31 Tagen. Trotzdem hält sie den Sondierungs- und Koalitionsverhandlungsrekord. 2017 hatte die SPD noch in der Wahlnacht nach ihrer krachenden Niederlage ihren Gang in die Opposition angekündigt. Doch die Verhandlungen über eine Jamaikakoalition aus CDU, FDP und Grünen scheiterten. Wieder musste die SPD ins Boot. 172 Tage – also genau fünf Monate und zwei Wochen und fünf Tage – verstrichen zwischen der Bundestagswahl und der Vereidigung des letzten Merkel-Kabinetts. Das bleibt auch bis auf Weiteres geschäftsführend im Amt, bis die neue Regierung gebildet ist.