Der VfB hat in der zweiten Liga wieder zu sich selbst gefunden. Es ist ein Wir-Gefühl entstanden, das allerdings bei der Abstimmung über die Ausgliederung schon auf die Probe gestellt wird, kommentiert Peter Stolterfoht.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Glückwunsch zur Rückkehr in die erste Liga! Aber auch dafür, dass der VfB zudem ein Fußballgesetz außer Kraft gesetzt hat. Jenes, welches besagt, dass der Abstieg einem Club prinzipiell nicht gut tut. Dem VfB, so viel steht nach dem finalen 4:1 gegen Würzburg fest, konnte nichts Besseres passieren als diese Form der Schocktherapie. In der zweiten Liga hat der Verein wieder zu sich selbst gefunden. Der Krise sei Dank.

 

Es wurden von Vorstand und Aufsichtsrat Entscheidungen getroffen, die im Falle des Klassenverbleibs vor einem Jahr niemals in der notwendigen Konsequenz gefällt worden wären; zum Beispiel alte Seilschaften um den Sportvorstand Robin Dutt zu zerschneiden und mit seinem Nachfolger Jan Schindelmeiser einen Neuanfang zu wagen. Schindelmeiser wiederum hatte den Mut, sich zu Beginn der Saison vom erfahrenen Trainer Jos Luhukay zu trennen und den unverbrauchten Hannes Wolf zu holen. Noch entscheidender erscheint aber fast schon, den alle überragenden Simon Terodde verpflichtet zu haben. Der Torjäger war allerdings schon vor Schindelmeiser und Wolf da und vereinfachte deren Arbeit mit seiner Treffsicherheit enorm. Leichter hatte es dadurch auch der im Oktober gewählte Präsident.

Perfektes Zusammenspiel zwischen Team und Fans

Der bisweilen rechthaberisch auftretende Wolfgang Dietrich hat auch zum Erfolg beigetragen. Er holte den Verein für Bewegungsspiele mit seiner entschlossenen Art aus einer jahrelangen Lethargie. Die richtige Reaktion war es, den zusammen mit Nachwuchsspielern sehr auffällig gewordenen Kevin Großkreutz rauszuwerfen. In diesem Fall stand die Zukunft der Jugendakademie auf dem Spiel, die für den VfB von existenzieller Bedeutung ist. Wolfgang Dietrich scheint krisenfest zu sein. Möglicherweise wird es über ihn deshalb einmal heißen: Er war in einer schwierigen Phase der richtige VfB-Präsident.

Keinerlei Zweifel gibt es, was die Fans des Erstliga-Rückkehrers angeht. Sie haben in einem beeindruckenden Zusammenspiel mit der Mannschaft einen maßgeblichen Anteil daran, dass der VfB Stuttgart sein Ziel erreicht hat. Ein Zuschauerschnitt von über 50 000 bedeutet Zweitliga-Rekord. Damit haben die Fans nicht nur einen neuen Maßstab gesetzt, sondern sich selbst ein Denkmal.

Der Abstieg hat die Mannschaft und ihr Umfeld wieder zu einer Einheit gemacht. Während in den zuletzt bleiernen Zeiten im Tabellenkeller der ersten Liga Entfremdungstendenzen auszumachen waren, haben die sich nun in einem kollektiven Jubel aufgelöst. Die Fans haben allen Grund, nicht nur ihre Mannschaft, sondern auch sich selbst zu feiern. Sie lassen den VfB-Aufstieg zu etwas Größerem werden als es eine sportliche Pflichterfüllung zunächst vermuten lässt.

Die Mannschaft muss verstärkt werden

Die Aufstiegseuphorie wird dem VfB auch in der ersten Liga Auftrieb geben. Doch es braucht mehr, um sich dort zu behaupten. Der Leistungsunterschied zwischen Ober- und Unterhaus, auch dies wurde in dieser Saison deutlich, ist immens. Vor allem die VfB-Abwehr, die auch in der zweiten Liga häufig wackelte, muss verstärkt werden. Das Geld für Transfers will sich die Clubführung per Ausgliederung der Profiabteilung beschaffen, über die die Mitglieder am 1. Juni abstimmen werden. Daimler hat für den Kauf von 11,75 Prozent der Anteile bereits 41,5 Millionen Euro zur Abholung bereit gelegt. Eine verlockende Anschubfinanzierung.

Verständlich sind aber auch die Sorgen mancher Mitglieder, ihr direktes Mitspracherecht im Verein in ein indirektes in einer AG umwandeln zu lassen. Die Frage steht im Raum, ob die neue Clubführung schon jetzt diesen Vertrauensvorschuss verdient? Die Antwort auf diese Frage sollte den Club aber nicht entzweien. Schließlich war es doch das Wir-Gefühl, das den VfB zuletzt wieder stark gemacht hat.