Borussia Dortmund empfängt an diesem Dienstag den FC Bayern München zum Duell der Tormaschinen.

Sport: Marco Seliger (sem)

Stuttgart/München - Ob Franz Beckenbauer und Uli Hoeneß an ihren Torrekord gedacht haben, als sie da mit ihren Masken auf Abstand saßen in Münchens Arena und ihre möglichen Nachfolger dabei beobachteten, wie sie Eintracht Frankfurt fünf Tore einschenkten? Ob sie am Samstag an früher dachten, als der Kaiser den freien Mann in der Abwehr gab und die Angriffe als Libero mit legendärer Eleganz mit dem Außenrist einleitete? Ob sie die Zeiten im Sinn hatten, als ein junger Sprinter aus Ulm namens Uli Hoeneß vorne mit wallendem Haar der Kugel nachjagte und zur Münchner Rekordsaison 13 Tore beisteuerte? Man weiß es nicht.

 

101 Treffer erzielte der FC Bayern in dieser denkwürdigen Spielzeit 1971/72, der Kaiser traf dabei sechsmal und damit 34-mal weniger als der Bomber Gerd Müller, der auf den scheinbar ewigen Bestwert von 40 Toren in 34 Bundesligaspielen kam. Am letzten Spieltag, in der entscheidenden Partie gegen den Tabellenzweiten FC Schalke, die die erste des FC Bayern im neuen Olympiastadion war, traf Beckenbauer beim 5:1 auch einmal. Dieses Mal per Innenrist, aber das nur am Rande.

Die heutigen Ehrenpräsidenten Hoeneß und Beckenbauer klatschten nun also artig am Samstag beim 5:2 der heutigen Bayern gegen Frankfurt. Hinterher sprach der Kaiser mal wieder öffentlich, er sah das Team „in einer sehr starken Verfassung“ und sprach von „sehr gutem Fußball“. Von alten und möglichen neuen Torrekorden sprach Beckenbauer nicht. Dabei hätte es allen Grund dazu gegeben.

Die 100-Tore-Marke

Denn vor dem Gipfeltreffen beim Tabellenzweiten Borussia Dortmund an diesem Dienstag (18.30 Uhr) wackelt die alte Bestmarke der Beckenbauer-Bayern. Nach den 27 Spieltagen in dieser Bundesliga-Saison haben die aktuellen Bayern 80 Tore auf dem Konto – das ist schon ein Rekord für sich zu diesem Zeitpunkt. Hochgerechnet auf die ganze Runde käme der Rekordmeister am Ende genau auf 101 Tore. Damit wäre der alte Rekord eingestellt.

Der BVB wiederum, der vier Punkte hinter dem Rekordmeister liegt, hat aktuell 74 Tore auf dem Konto. Auch die Borussia könnte die 100-Tore-Marke also noch knacken, weshalb an diesem Dienstag in Dortmund nicht nur das Spitzenspiel und der deutsche Klassiker steigt. Sondern ohne jede Übertreibung auch das Duell der Ballermänner – und jenes der Vorlagengeber, die die Torjäger mit ihrer Munition beliefern: dem Ball.

Dortmund gegen Bayern, klar, das ist das große Mittelstürmerduell zwischen Erling Haaland und Robert Lewandowski. Die beiden treffen, wie sie wollen – und Lewandowski jagt mit aktuell 27 Saisontoren nach 27 Partien sogar den Bomber Gerd Müller mit seinen 40 Rekordbuden von 1971/72. Lewandowski müllert also ordentlich – und auch sein Dortmunder Rivale gibt einen Bomber in Reinform. So traf Erling Haaland seit seiner Verpflichtung im Winter in zehn Bundesligaspielen zehnmal. Hochgerechnet ergibt das zumindest eine echte Lewandowski-Quote.

Nimmersatt

Der nimmersatte Pole mit dem Astralkörper und die norwegische Tormaschine mit dem Bubengesicht sind dabei aber nur zwei Säulen der beiden Topteams der Liga. Dahinter tummeln sich Typen wie Thomas Müller (FC Bayern) oder Julian Brandt (BVB), die entweder selbst gerne treffen oder eben die Torvorlagen geben.

Vor allem Müllers Zahlen beeindrucken – in den 17 Bundesligaspielen unter Trainer Hansi Flick sammelte er 20 Scorer-Punkte (sieben Tore und 13 Assists) und fand nach langer Durststrecke wieder zu seinem Spiel, das da heißt: rein in die Räume, die sonst keiner sieht, und dann vorlegen oder treffen. Der Thomas Müller des BVB heißt, wenn man so will, Julian Brandt. Der Nationalspieler startet in diesem Jahr durch, er ist unter Trainer Lucien Favre der Taktgeber, Vorlagengeber und Vollstrecker in einem.

Klar scheint bei dieser Offensivpower auf beiden Seiten eins zu sein: Die Defensivreihen beider Teams werden an diesem Dienstag so sehr gefordert sein wie noch nie in dieser Saison – und hier hat der BVB nach dem 2:0-Sieg beim VfL Wolfsburg Grund zur Sorge. So ist der Einsatz von Abwehrchef Mats Hummels (Achillessehnenreizung) fraglich. Der mögliche Ersatzmann Emre Can ist gerade erst zurück nach einer Muskelverletzung und wird eigentlich dringend im defensiven Mittelfeld gebraucht, wo wiederum der Stabilisator Axel Witsel (muskuläre Probleme) zuletzt ebenfalls fehlte – der BVB hofft inständig auf die Rückkehr des Belgiers gegen den FC Bayern.

Kann die Borussia also mit dieser Defensive den Münchner Tormaschinen die Stirn bieten? Manuel Akanji glaubt: Ja. Der Innenverteidiger betont, dass sich die Organisation des BVB seit dem 3:4 bei Bayer Leverkusen Anfang Februar verbessert hat. „Der Schlüssel ist, dass die gesamte Mannschaft gut verteidigt“, sagt Akanji: „Wir lassen kaum Chancen zu.“

Ob das auch gegen den FC Bayern klappt, darf zumindest bezweifelt werden.