Der deutliche 5:1-Sieg des FC Bayern gegen Borussia Dortmund lässt fast nur einen Schluss zu: Der Rekordmeister befindet sich auf dem besten Weg zum nächsten Titel.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Auf ungefähr zwanzig erkenntnisarme Pressekonferenzen nach Fußballspielen kommt eine kuriose, im Moment fast alles erklärende.

 

Frage also – blöde Frage eigentlich – nach dem Bundesligaspitzenspiel in München: „Ist der FC Bayern nach acht Spieltagen und jetzt schon sieben Punkten Vorsprung auf den Zweiten Borussia Dortmund noch zu stoppen?“ Thomas Tuchel, Dortmunds Trainer, 42 Jahre alt, grübelte kurz in sich hinein. Pep Guardiola, Bayerns Coach, 44 Jahre alt, fräste mit den Augen ein ordentliches Loch in die Decke. „Was soll ich sagen, Pep?“, adressierte Tuchel an den Älteren. „Sie haben dich gefragt!“, antwortete Guardiola, halb amüsiert, aber auch etwas streng. Es soll ja mal was Größeres werden aus Tuchel, dem noch die Titel fehlen. Kurze Pause. „Nein, natürlich nicht!“, kam es dann doch noch aus dem Mund des Dortmunder Trainers.

Die Bayern können sich nur selbst schlagen

Natürlich nicht. Natürlich wird, wie es ausschaut, keine Mannschaft diese Bayern stoppen, wenn diese Bayern sich nicht irgendwann selber stoppen. Wobei es ebenso natürlich ist, dass zumindest im Oktober, der gerade begonnen hat, eine andere Sprachregelung gilt, nämlich die inhaltlich tiefenphilosophische von Pep Guardiola: „Niemand ist Deutscher Meister! Wir sind Deutscher Meister, wenn wir Deutscher Meister werden!“

Ausrufezeichen. Es wimmelte in der Arena nur so von Ausrufezeichen, vor allem taktischer Art. Meine Strategie, deine Strategie, und das ging los mit dem Händedruck zwischen den beiden Trainern: Guardiola lächelte wie ein Mann, der sich sehr bewusst auf ein schönes Schachspiel freute („Ich habe es genossen, vier Tage lang die Laufwege zu analysieren“), das er in fast allen Varianten durchgerechnet hatte. Tuchel biss die Lippen aufeinander, wie ein Gegner, der mit Schwarz beginnt und hofft, dass er möglichst alle Varianten des großen Vorbilds memoriert hat. Plus einen Plan. Und so war es, zumindest 26 Minuten lang.

Die Super-Nerds der Liga

Tuchel und Guardiola sind, wenn man so will, in sehr unterschiedlichen Ausprägungen die Super-Nerds der Liga. Beraunt ohne Ende wurde in München ein Treffen während Tuchels Sabbatjahr: angeblich reichten nie die Salzstreuer auf dem Tisch, als die beiden Trainer Spiele aus dem Gedächtnis nachspielten. Hätten sie das nach dem Münchner 5:1 (2:1) der Bayern noch einmal getan, wäre zu sehen gewesen, dass Tuchel auf den Konjunktiv setzte. Mit einer hoch stehenden, so nicht eingespielten Viererkette und einer Raute hoffte er, lange ohne den müde wirkenden Marko Reus, „das Match eng“ zu machen und ein Remis zu halten. Dann würde die Borussia „spielen“, und wenn die Bayern den Mittelfeldmotor Ilkay Gündogan noch etwas länger hätten machen lassen, wäre das vielleicht auch so gekommen.

Guardiola allerdings sah anfangs viele Ballverluste, beorderte deshalb Javier Martinez weiter nach vorne („wenn wir den BVB lassen, sind wir kaputt“), und ließ fabrizieren, was er eigentlich hasst: lange Pässe. Zwei Assists von Jérôme Botaeng waren in Beckenbauer’scher Manier Maßarbeit für Thomas Müller (26.) und Robert Lewandowski (46.). Wenn man hierin eine Pointe sehen will, dann war es die, dass einem das Strickmuster bekannt vorkam: Fußball in dieser Art gehörte zu den Standards bei Jürgen Klopp.

Verstoß gegen alle Verteidigungsprinzipien

Der Rest ergab sich, beziehungsweise nicht. Als die Dortmunder, nicht nur bei Pierre-Emerick Aubameyangs fein herausgespieltem Gegentreffer, zeigten, was sie unter Thomas Tuchel wieder können, schädigten sie sich gleich noch einmal selbst durch einen zweiten „Verstoß gegen alle Verteidigungsprinzipien“ (Tuchel). Er hatte auf den „Flow“ gewartet und darauf, auf das 4-3-3-System umstellen zu können. Dann aber kam eher die Flut, sogar noch ein Tor von Mario Götze – und Tuchel verkroch sich dann nur noch in sein Trainerhäuschen am Spielfeldrand.

Nach der Länderspielpause, so der Trainer, blass und schmallippig, werde er viel zu tun haben, etwas Grundlegendes an den „Verhaltensweisen“ zu ändern. Das zielte, einhergehend mit der Bemerkung, dass man in Saloniki jüngst „sehr gut verteidigt“ habe, ziemlich genau auf den Kapitän Mats Hummels, der an zwei Toren nicht ganz unschuldig gewesen war und zeitig, zu zeitig, signalisierte, sich mit einer Niederlage abfinden zu wollen. Hummels hat durch seine Verletzungen einiges an Explosivität eingebüßt, wirkt zu schwer und auch im Kopf manchmal starr und wenig flexibel. Man sieht das nicht gerne.

Trotz der Siege – das Münchner Publikum wirkt satt

Schließlich also fügten die Bayern den fünf Toren gegen Wolfsburg und den fünf Toren gegen Belgrad in der Champions League nun auch fünf Tore gegen Dortmund hinzu – ein Ergebnis, das sich bei konsequenterer Auswertung der Möglichkeiten ohne Weiteres noch hätte höher gestalten lassen. Arturo Vidal, spät eingewechselt und noch nicht erkennbar von Nutzen für das Kollektiv, sorgte konsequent dafür, dass nicht schon wieder Rekorde gebrochen wurden in der Arena.

Das Münchner Publikum im Übrigen, immer schon schwer im Verdacht, eine Tendenz zur Operette zu haben, zeigte deutlich, dass nach allen Heimerfolgen und Siegen überhaupt in dieser Saison eine gewisse Sättigungsstarre eingetreten ist. Lange vor Schluss, als es grad mal auf acht am Abend ging, war das ausverkaufte Stadion lediglich noch zu zwei Dritteln besetzt. Stimmungstechnisch bleibt diese Saison also noch eine Herausforderung für den FC Bayern – immerhin.