Das Schreckensszenario lässt sich für Traditionalisten ganz einfach benennen: TSG Hoffenheim gegen VfL Wolfsburg. Diese Paarung zweier sogenannter Plastikclubs aus dem Oberhaus gab es zuletzt gleich zweimal, in der Bundesliga und zuvor im DFB-Pokal. Verbunden sind damit im Fußballbusiness leere Stadionränge, schwache Einschaltquoten und geringe Vermarktungsmöglichkeiten.
Das krasse Gegenteil gibt es natürlich auch: große Namen, volle Arenen, hohes Publikumsinteresse. Wie beim FC Bayern gegen Borussia Dortmund, dem deutschen Klassiker – oder Schalke 04 gegen den Hamburger SV, allerdings in der zweiten Liga.
36 Clubs mit 36 Einzelinteressen
Diese Fußballwelten werden an diesem Donnerstag in Frankfurt aufeinanderprallen. Wieder einmal. Es geht bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball-Liga (DFL) um eine mögliche Neuverteilung der Fernsehgelder. Zehn Zweitligisten haben die Sitzung initiiert, in der 36 Proficlubs vertreten sind, mit 36 Einzelinteressen, die bestenfalls in Interessengruppen gebündelt werden.
„Wir gehen ergebnisoffen in die Sitzung und erhoffen uns eine zielorientierte Diskussion zur TV-Geld-Verteilung“, sagt Alexander Wehrle, der Vorstandsvorsitzende des VfB Stuttgart, „klar ist für uns dabei, dass die Lokomotiven der Liga entsprechend ihrer Bedeutung für die Vermarktung an den Erlösen partizipieren.“ Wer zieht, soll demnach mehr kassieren. Zunächst geht es aber um Vorschläge, wie ein neuer Verteilungsschlüssel aussehen könnte. Zudem um ein differenziertes Meinungsbild, da die Entscheidung im neunköpfigen DFL-Präsidium fällt, nicht in der Vollversammlung.
Die großen Linien lassen sich wohl so zeichnen: Die einen schreien, Tradition soll sich auszahlen. Vereine, die für eine hohe Stadionauslastung und Aboverkäufe bei den Bezahlsendern Sky und DAZN sorgen, sollen künftig stärker berücksichtigt werden, wenn die TV-Gelder ab der nächsten Saison verteilt werden. Die anderen meinen, Leistung muss sich lohnen und wirken darauf hin, dass ihre jahrelange gute Arbeit besser honoriert werden soll.
Mehr Hamburg oder mehr Heidenheim? Reichweite oder Konzept? Unschwer ist dabei zu erkennen, dass gefallene Riesen wie der HSV oder Schalke versuchen, eigene Defizite auszugleichen. Anders gelagert ist die Ausgangssituation bei Traditionsvereinen wie dem VfB, Eintracht Frankfurt, Borussia Mönchengladbach oder Werder Bremen. Sie kämpfen darum, in das Hoheitsgebiet der Big Four (FC Bayern, Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen, RB Leipzig) einzudringen. Unstrittig ist jedoch ebenso, dass sich in der zweiten Liga eine Reihe von Vereinen tummeln, die jeweils eine große Anhängerschaft mitbringen – Kunden, wenn man so will.
Die harte Haltung des FC Bayern
An der DFL liegt es nun, die Interessen auszutarieren, den Solidargedanken der Zentralvermarktung zu erhalten und dabei den Krösus nicht zu verstimmen. Die Bayern haben bereits Position bezogen. Solidarität dürfe „keine Einbahnstraße sein“, sagt der Münchner Finanzchef Michael Diederich im Fachmagazin „Kicker“. „Bereits jetzt tragen die Topclubs dem Solidaritätsgedanken in einem erheblichen Umfang und an vielen Stellen Rechnung“, so der 59-Jährige.
Kritiker führen dagegen an, dass der Rekordmeister insgesamt 100 Millionen Euro aus dem DFL-Paket erhält, mehr als dreimal so viel wie der Aufsteiger Holstein Kiel. Der VfB liegt mit ausgewiesenen 56 Millionen Euro in der TV-Geld-Rangliste dazwischen. Insgesamt nimmt die DFL ab der Saison 2025/26 für jeweils vier Jahre aus der nationalen Medienvermarktung 1,12 Milliarden Euro ein, aus dem internationalen Bereich kommen etwa 216 Millionen pro Spielzeit hinzu. Als Erfolg durften Marc Lenz und Steffen Merkel, die beiden Geschäftsführer des Ligaverbandes, diesen Abschluss verbuchen.
Doch jetzt ereilt das Führungsduo samt DFL-Präsidium eine Grundsatzdebatte. Sie bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Liga und League. Hier der nationale Spielbetrieb, der gesichert und im Titelrennen spannend gehalten werden soll. Dort die internationale Konkurrenzfähigkeit, um in den europäischen Wettbewerben eine starke Rolle zu spielen und die nötigen Punkte für die Fünfjahreswertung der Uefa zu holen.
Dieses Ranking entscheidet über die Anzahl an Europapokal-Plätzen. Denn zur Wahrheit gehört, dass vor allem der Sprung in die Königsklasse die Schere zwischen Arm und Reich auseinanderklaffen lässt. Siehe neuerdings VfB. Allein die bisherige Teilnahme an der Champions League bringt knapp 30 Millionen Euro ein. Schaffen es die Stuttgarter, mit diesem Schub sich weiter für das internationale Geschäft zu qualifizieren, werden sie im Vergleich zum Mittelstand der Bundesliga nachhaltig mehr Geld einnehmen. Eine Aufwärtsspirale, von der zuletzt Eintracht Frankfurt profitiert hat. Der VfB könnte einen ähnlichen Weg nehmen.