Bundesnetzagentur Viel Kritik an der PR der Deutschen Bahn
Die Bundesnetzagentur prüft eine weitere Beschwerde wegen der Vermischung von Infrastruktur und Wettbewerbssparten beim Staatskonzern.
Die Bundesnetzagentur prüft eine weitere Beschwerde wegen der Vermischung von Infrastruktur und Wettbewerbssparten beim Staatskonzern.
„Bingen in Bingen“ – diese Werbeaktion der Deutschen Bahn AG sollte ein besonderer Gag werden. Mitte August ließ der hoch verschuldete Staatskonzern den Bahnhof Bingen aufwändig in „ein temporäres Pop-up-Kino“ verwandeln, wie die beauftragte Berliner PR-Agentur Storymachine New Classic GmbH schwärmte. Drei Tage lang wurde dort die You-Tube-Serie „Bahnsinn Riedbahn“ in Dauerschleife gezeigt. Gemessen am Aufwand sei die Resonanz jedoch mehr als dürftig gewesen, heißt es. So soll das „Pop-up-Kino“ die meiste Zeit verwaist gewesen sein. Dabei rührten der klamme Konzern und die Agentur zuvor teuer die Werbetrommel.
Das PR-Trommelfeuer begleitete den Start der Generalsanierung von 40 wichtigen Bahnstrecken, deren Modernisierung der Konzern zuvor lange vernachlässigt. Die Kritik an der Schönfärberei hält an. Das Marketing sei „sehr fragwürdig“, sagt ein sachkundiger Jurist aus der Branche, der lieber anonym bleiben will. So zeigten die DB-Werbefilme zur Riedbahn viel Bling-Bling wie Bergwanderungen – und das bei einem Sanierungsprojekt, das statt 500 Millionen am Ende 1,3 Milliarden Euro gekostet habe, obwohl „nicht mal alles gemacht wurde, was geplant war“.
Der Staatskonzern beantwortet Nachfragen unserer Redaktion nur lückenhaft. Man habe fortlaufend über das Projekt informiert, auch mit der Doku „Bahnsinn Riedbahn“, die „bereits mehrere Millionen Abrufe auf YouTube verzeichnen kann“. Die Aktion „Bingen in Bingen“ habe ihre Ziele erreicht, die Kosten seien aus „laufenden Etats“ finanziert worden, betont die DB-Sprecherin Corporate Media Relations (GNC 2), die – wie alle Medienverantwortlichen des Konzerns – „nicht namentlich genannt“ werden will.
Offen lässt die PR-Abteilung die Frage, ob allein „Bingen in Bingen“ schon mehr als 100 000 Euro gekostet hat, wie in der Branche kolportiert wird, und ob dieser Agenturauftrag ausgeschrieben wurde. Und wie sind solche Ausgaben angesichts des immensen Spar- und Kostendrucks im Konzern zu rechtfertigen? Auch dazu schweigt die sonst so mitteilsame PR-Abteilung.
Als fragwürdig kritisieren Branchenexperten derartige Aktionen noch aus anderem Grund: Der Staatskonzern vermische mehr denn je die Kommunikation und Werbung für das hoch subventionierte staatliche Infrastruktur-Monopol mit seinen renditepflichtigen Unternehmenssparten, die sich im Fern-, Regional- und Güterverkehr gegen andere Nutzer des Schienennetzes behaupten müssen. Tatsächlich wird unter der Dachmarke DB die Generalsanierung der Schienenstrecken groß propagiert – und damit der gesamte Konzern in den Vordergrund gestellt, obwohl das Netz dem Bund gehört, die Modernisierung vom Steuerzahler finanziert wird und dafür allein die gemeinnützig orientierte DB Infra-Go AG zuständig sein soll. Andere Anbieter im Markt fühlen sich stark benachteiligt. Schon seit Jahren fordern DB-Wettbewerber und ihre Verbände Mofair sowie „Die Güterbahnen“ eine bessere Trennung zwischen dem Netzmonopol der DB Infra-Go AG und den DB-Verkehrssparten. Bei der Bundesnetzagentur laufen dazu mehrere Verfahren.
Der jüngste Umbau des Vorstandsbereichs Kommunikation und Marketing hat noch mehr Unruhe ausgelöst. Intern, weil die Zahl der PR-Mitarbeiter um fast ein Viertel auf immer noch 190 schrumpfen soll. Und extern, weil im neuen Bereich „GNG Kommunikation Geschäfte und Infrastruktur“ die Zuständigkeiten noch mehr vermischt werden, was die DB bestreitet. So hat der Konzern zum 1. September seine bisher getrennten Social-Media-Auftritte zusammengelegt. Bei Instagram und Facebook tritt das Unternehmen nur noch einheitlich als „Deutsche Bahn“ auf und nicht mehr getrennt. Ein konkurrierendes Bahnunternehmen, das ungenannt bleiben möchte, sieht diese neue DB-Kommunikation als „schwerwiegende Problematik“ – und hat eine Beschwerde an die Bundesnetzagentur geschickt, die unserer Redaktion exklusiv vorliegt.
Auf den vereinten Kanälen würden „fortlaufend Themen kommuniziert, die sowohl Infrastruktur als auch die Leistungen der konzerneigenen Eisenbahnverkehrsunternehmen betreffen“, kritisieren die Beschwerdeführer. Die „gebündelte Kommunikationsmacht“ erwecke den Eindruck, die Verbesserungen kämen „exklusiv den konzerneigenen Unternehmen zugute“ und führe „zu einer faktischen Aushebung der Entflechtung, wie sie das Eisenbahnregulierungsrecht fordert“.
Die Bundesnetzagentur bestätigt auf Anfrage den Eingang der Beschwerde. Man führe „aktuell zwei Verfahren, die sich mit der Zusammenarbeit zwischen DB InfraGO AG und anderen Einheiten des Konzerns Deutsche Bahn AG befassen“. Die Eingaben der DB-Wettbewerber zur Social-Media-Kommunikation befänden sich „noch im Ermittlungsstadium“, erläutert Pressesprecherin Judith Henke.
Generell sei die DB InfraGO AG „sehr umfangreich mit anderen Einheiten des Konzerns der Deutschen Bahn AG verflochten“, bestätigt die Netzagentur. Das sei nach den Entflechtungsvorgaben des Eisenbahnregulierungsgesetzes (ERegG) aber „grundsätzlich zulässig“. So bleibt allen, die fairere Rahmenbedingungen für den Wettbewerb auf der Schiene wünschen, die Hoffnung, dass Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) die DB Infra-Go wie versprochen rasch unabhängiger vom Konzern aufstellt und die Regierungskoalition mittelfristig die vereinbarte Bahnreform umsetzt, am besten mit einer eigenständigen Infrastrukturgesellschaft. Bis dahin könnte die neue DB-Chefin Evelyn Palla schon mal für klare Verhältnisse sorgen – und ihren Vorstandsbereich Kommunikation und Marketing sauber entflechten.