Die Piratenpartei hat einen fast beispiellosen Prozess der Selbstzerstörung hinter sich. Auf dem Bundesparteitag in Würzburg wirken die Piraten gefasst – aber tief erschöpft.

Würzburg - Stefan Körner ist ein zurückhaltender Typ. Mit seinem sanften bayerischen Dialekt wirkt der Familienvater aus der Oberpfalz nicht unbedingt so, wie man sich einen Chef-Piraten vorstellt. „Wir schauen auf 13 relativ ruhige Monate zurück“, sagte der 46-jährige Körner zu Beginn des Bundesparteitags der Piraten in Würzburg und so wie er es sagt, klingt es nach einer Errungenschaft.

 

„Früher war mehr los“, sagt Martin Eitzenberger, der Landesvorsitzende der Piraten in Baden-Württemberg, als er sich in der S.Oliver-Arena in Würzburg umsieht. Früher – das waren die Tage, in denen die Piraten es auf ihren Parteitagen kaum fertig brachten, sich auf eine Tagesordnung zu einigen. Es waren die Tage erbitterter Kämpfe untereinander und gegen das eigene Führungspersonal, offen ausgefochten in den sozialen Netzwerken.

„Wir haben uns eine Schlammschlacht geliefert, die nicht einmal RTL2 senden würde“, sagt der bayerische Pirat Niklas Deutschmann im Rückblick. „Es war eine Katastrophe. Ich dachte streckenweise nicht, dass wir das überleben“, blickt Martin Eitzenberger zurück.

Ein bisschen Vereinsmeierei schadet nicht

Beim letzten Bundesparteitag war es schließlich zum Showdown zwischen liberalen und linksgerichteten Piraten gekommen. Letztere haben die Partei inzwischen in Scharen verlassen. Und der ruhige, dem liberalen Flügel zuneigende Körner wurde ans Deck der abgekämpften Partei gespült.

Optisch sind die Piraten in Würzburg noch ganz die Alten: der Hang zu langen Haaren, Club-Mate und selbstbedruckten Motto-Shirts – die Aura der Exoten-Nerds ist noch nicht verflogen. Doch die Verfechter von Freiheit und Anonymität im Netz wirken alles in allem erschöpft. Wer jetzt noch im Würzburger Sporthallen-Flair ausharrt, der hat ein paar bittere Lektionen gelernt. Nicht zuletzt, dass eine Partei ganz ohne vermeintlich spießig-autoritäre Parteiregeln kaum funktionieren kann.

Der Parteitag zeige, dass die Piraten „von einem Haufen Vereinsmeier gekapert“ worden seien, schimpft aus der Ferne das prominente Ex-Parteimitglied Christopher Lauer und streut damit Salz in die Wunde der Partei, die mit Piratentüchern und Augenklappen angetreten war, um alles anders zu machen. „Klarmachen zum Ändern“, lautet bis heute ihr Slogan.

Ziel ist der Einzug in den Bundestag

Jetzt ruft der politische Geschäftsführer Kristos Thingilouthis mehrfach in Saalmikrofon: „Piraten, es gibt uns noch!“ Und der besonnene, wenn auch wenig charismatische Stefan Körner kann sich über eine klare Wiederwahl freuen. Nach seiner Vorstellung soll die Partei nun wieder zu ihren Kernthemen zurückkehren: Datenschutz und Privatsphäre – im Netz und analog – und mehr Transparenz. Als Ziel gibt Körner den Einzug in den Bundestag aus – und muss doch befürchten, dass die Partei, die in Umfragen kaum noch zwei Prozent erreicht, demnächst aus allen vier Landtagen fliegt, in denen sie noch vertreten ist.

Die entscheidende Frage bleibt bei diesem Parteitag offen: Hat die Partei noch genug Personal und Energie, um sich wieder ins öffentliche Bewusstsein zu kämpfen? Oder sind die Piraten ausgeblutet? In Würzburg jedenfalls hängt die Mannschaft noch schwer in den Seilen.