Die Union will in Hannover die Weichen für das Wahljahr stellen. Doch unversehens ist im Vorfeld ein Streit über eine Reihe gesellschaftspolitischer Fragen entbrannt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Hannover - Die Nachricht kommt wie bestellt: Just am Tag vor dem CDU-Parteitag lässt Finanzminister Wolfgang Schäuble verkünden, dass der öffentliche Schuldenberg in Deutschland schon dieses Jahr nicht weiter wachsen werde. Die Botschaft soll wohl wie ein Beleg für den Leitantrag klingen, mit dem sich die 1001 Delegierten heute und morgen befassen werden. Das Papier will die wirtschaftspolitische Kompetenz der Union unterstreichen.

 

Im Vorfeld des Konvents treiben ganz andere Fragen die CDU um. Es geht um das Gesellschaftsbild der Partei, das den einen nicht mehr konservativ genug ist – aber andererseits auch offenkundig nicht mehr so zeitgemäß, dass die CDU urbanes Publikum überzeugen könnte. Die Wahlschlappe in Karlsruhe erscheint da wie ein Menetekel. Wir umreißen die Streitfragen, die in Hannover zur Debatte stehen.

Mütterrente Die Frauen-Union fordert Rentenzuschläge für Frauen, die vor 1992 Kinder bekommen haben. Sie bekommen bisher einen Rentenpunkt je Erziehungsjahr, Mütter mit jüngeren Kindern erhalten drei Punkte. Finanziell macht das einen Unterschied von 56 Euro im Monat pro Kind. Die differenzierte Regelung war immer umstritten. Schon 2003 und erneut 2011 hatten die Unionsfrauen darauf gedrungen, die Richtlinien anzupassen und Mütter gleichzustellen. Darauf pochen sie nun erneut. Die Vorsitzende der Frauen-Union, Maria Böhmer, hatte vorab klargemacht, dass sie sich nicht mit einem vagen „Prüfauftrag“ abspeisen lassen wolle, sondern auf einer festen Zusage bestehe, „dass noch in dieser Legislaturperiode ein Gesetz zur besseren Anerkennung von Kindererziehungszeiten beschlossen wird“. Ein striktes Nein dazu kam von der rheinland-pfälzischen CDU-Landesvorsitzende Julia Klöckner, die in Hannover zur Parteivize gewählt werden will. „Wir können rückwirkend höhere Renten schlicht nicht bezahlen“, sagt sie. Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister sagte, es gebe für Böhmers Forderung „viel Sympathie, aber derzeit wohl nicht die finanziellen Spielräume“. Am Montagabend hat der Bundesvorstand sich mit den Unionsfrauen auf einen Kompromiss verständigt. Der Antrag, über den nun abgestimmt werden soll, spricht sich dafür aus, die Anerkennung der Kindererziehungszeiten bei der Rente zu verbessern. Doch könne dies „im Hinblick auf die Notwendigkeit der weiteren Haushaltskonsolidierung nur schrittweise“ erfolgen. Konkreter ist das Versprechen nicht. Böhmer & Co haben am Ende dennoch zugestimmt. Es gab nur zwei Gegenstimmen – von Männern. Darunter war der Haushaltspolitiker Michael Meister.

Homo-Ehe Eine Gruppe junger Abgeordneter („Wilde 13“) tritt dafür ein, homosexuelle Paare, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, steuerlich mit Ehepaaren gleichzustellen. Verteidigungsminister Thomas de Maizière schlägt sich auf deren Seite. Er sagte der „Sächsischen Zeitung“: „Die Ablehnung der kompletten steuerlichen Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften wird nach meiner Vermutung vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben“. Dass solche Paare auch in den Genuss des Ehegattensplittings kommen, will der konservative Kreisverband Fulda mit einem Antrag aber partout verhindern. Generalsekretär Hermann Gröhe bereitet einen Formelkompromiss vor, der einerseits Respekt für alle bekundet, „die in anderen Formen der Partnerschaft ihren Lebensentwurf verwirklichen“. Andererseits will die CDU-Spitze das Steuerprivileg für Ehepaare nicht von sich aus kippen. Parteichefin Angela Merkel ist diese Frage wichtig, weil sie sich hier symbolisch für konservative Anliegen stark machen kann. Baden-Württembergs CDU-Landesvorsitzender Chef Thomas Strobl kennt die andere Seite der Medaille: Mit einem angestaubten Gesellschaftsbild ist die Union in Großstädten nicht attraktiv genug. Deshalb setzte er sich schon vor Monaten für eine Gleichstellung ein. Die Mehrheiten auf dem Parteitag sind aber wohl anders.

Frauenquote Sozialministerin Ursula von der Leyen und Gleichgesinnte kämpfen für fixe Vorgaben, der Bundesvorstand unterstützt aber die weiche Linie, die Familienministerin Kristina Schröder vertritt. Sie macht sich für eine flexible Quote stark. Das Kompromissmodell verknüpft die „Flexiquote“ mit konkreten Zielvorgaben, die allerdings erst 2020 gelten sollen.