Mehr als die Hälfte der geplanten Rückführungen fällt kurzfristig aus. Das will die Bundespolizei ändern. Nach einem Paket von Gesetzesänderungen im vergangenen Jahr sollen jetzt neue Regeln für die Flugbuchungen helfen.

Berlin - Durch „No-Name-Buchungen“ und eine verbesserte Zusammenarbeit mit den Ländern will Bundespolizei-Präsident Dieter Romann die Zahl der gescheiterten Abschiebungen reduzieren. Damit sich auch in Zukunft genügend Beamte als Freiwillige für die oft physisch und psychisch belastenden Rückführungen melden, sollen die Arbeitsbedingungen verbessert werden. 

 

In einem Brief, den Romann im Januar an die Präsidenten der Bundespolizeidirektionen schickte, heißt es, die Bundespolizei stehe bei einer Anzahl von 246 000 Ausreisepflichtigen und etwa „600 000 Personen, bei denen die gerichtliche Entscheidung kurz bevorsteht, einer enormen und mit dem derzeitigen System nicht zu bewältigenden Herausforderung gegenüber“. Die Zahl der geplanten Rückführungen, die kurz vor dem Abflugtermin abgesagt würden, müsse reduziert werden. Denn sie stelle eine hohe Belastung der eingesetzten Mitarbeiter dar und trage auch nicht zur Erfüllung der politischen Ziele bei.

Keine namentliche Zuordnung des Rückzuführenden

In einem anderen Schreiben - einem internen Rahmenkonzept der Bundespolizei, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt - ist von einer Storno-Quote bei Rückführungen von über 50 Prozent die Rede. Damit künftig weniger Rückführungen abgesagt werden müssen, weil der ausreisepflichtige Ausländer nicht angetroffen wird oder nicht reisefähig ist, soll es nach den Vorstellungen der Behörde nun bis drei Stunden vor Abflug keine namentliche Zuordnung des Rückzuführenden zu einem Flug mehr geben. Den Ländern stehe es damit frei, am Flugtag auch andere als die zuvor eingeplanten Ausreisepflichtigen an die Bundespolizei zu übergeben.

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums wurden im vergangenen Jahr 31 974 von 57 005 Rückführungen abgesagt. 25 031 Abschiebungen und Rücküberstellungen in das für das Asylverfahren zuständige EU-Land waren erfolgreich.

Probleme sieht die Bundespolizei auch darin, dass in einzelnen Bundesländern jede Gemeinde für sich entscheide, wie sie mit Rückführungen umgehe. Aktuell sei es deshalb „von Zufällen abhängig“, ob Verhandlungen der Bundesregierung mit den Herkunftsstaaten auch zu mehr Rückführungen dorthin führten. 

Arbeitsgruppe für Clan-Mitglieder?

Solange rechtsstaatliche Verfahren eingehalten würden, spreche nichts gegen „No-Name-Buchungen“, sagte FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae. Daneben sei es aber dringend notwendig, „dass die Zuständigkeit für Abschiebungen von Ländern auf den Bund übergeht“.

Unionsfraktions-Vize Thorsten Frei verwies auf das bereits im vergangenen Jahr beschlossene Maßnahmen-Paket, mit dem unter anderem die Voraussetzungen für die Abschiebehaft gesenkt worden waren. Er sagte: „All das nützt aber nichts, wenn es in einigen Bundesländern an dem politischen Willen fehlt, die Ausreisepflicht auch konsequent durchzusetzen.“ Während Bayern seine Rückführungsquote 2019 gesteigert habe, sei sie in Thüringen, Brandenburg und Niedersachsen um 25 bis 30 Prozent eingebrochen.

Um kriminelle Clan-Mitglieder, die keinen deutschen Pass haben, loszuwerden, hat sich die Bundespolizei zudem überlegt, eine ständige Arbeitsgruppe einzurichten, die sich ausschließlich mit der Rückführung ausreisepflichtiger Clan-Mitglieder beschäftigt. Wie aus dem Schreiben weiter hervorgeht, arbeitet das im März 2017 eingerichtete Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr bislang nicht effektiv. Die mit dem Zentrum verfolgte Idee einer Zusammenarbeit aller beteiligten Behörden sei zwar gut. Sie werde aktuell aber „dadurch geschwächt, dass die Bundesländer ihren Mitarbeitern formal kaum Handlungsspielraum geben und sie überwiegend unzureichend in die Landesbehördenstruktur einbinden“.

24 Stunden Erholung nach Abschiebung

Für Bundespolizisten ist die Teilnahme an Abschiebungen und an Rücküberstellungen von Asylbewerbern in den EU-Staat, der für ihr Asylverfahren zuständig ist, freiwillig. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatte für diese sogenannten Personenbegleiter Luft in den vergangenen zwei Jahren Verbesserungen angemahnt.

Dazu zählt, dass jeder Beamte nach einem solchen Einsatz 24 Stunden Zeit haben soll, um sich zu erholen, bevor er wieder zum normalen Dienst muss. Außerdem sollen ausnahmslos nur solche Beamte Abschiebungen begleiten, die dafür eine spezielle Schulung durchlaufen haben. 

„Nur durch das gewerkschaftliche Engagement hat sich im letzten Jahr so viel geändert wie in den letzten fünfzehn Jahren nicht“, sagte GdP-Vize Jörg Radek der dpa. Die Bundespolizei stehe weiter unter einem enormen politischen Druck, die ihr obliegenden Rückführungsaufgaben bei einer hohen Anzahl ausreisepflichtiger Personen zu bewältigen. Momentan sei es nur durch die hohe Motivation der Personenbegleiter möglich, diese Aufgabe zu erfüllen.