Bundespolizei-Präsident Dieter Romann hat den mutmaßlichen Mörder von Susanna, Ali B., offenbar eigenmächtig aus Kurdistan abgeholt. Dafür gibt es nicht nur Lob. Auch der Innenausschuss des Bundestags hat Fragen zu seinem Vorgehen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die eigenmächtige Rückholung von Ali B. durch den Bundespolizei-Präsidenten Dieter Romann sorgt innen- und außenpolitisch für Verwicklungen. Begleitet von Beamten der Spezialeinheit GSG9 hatte Romann den mutmaßlichen Mörder der 14-jährigen Susanna aus Mainz am vorigen Samstag in einer Lufthansa-Maschine aus der kurdischen Hauptstadt Erbil nach Frankfurt gebracht – ohne einen offiziellen Auftrag.

 

Die irakische Zentralregierung fühlt sich übergangen und wertet die Aktion als Rechtsverstoß, weil es zwischen dem Irak und Deutschland kein Auslieferungsabkommen gibt. Im Visier hat sie aber auch die kurdische Regionalregierung, deren Innenminister Karim Sinjari offenbar die Herausgabe von Ali B. veranlasst hatte – nur das irakische Justizministerium hätte dazu die Befugnis gehabt, so der Einwand aus Bagdad. Kurdistan ist eine Autonomieregion, deren Regierung ihr Streben nach Unabhängigkeit immer wieder demonstriert.

SPD-Landesvize lobt erfolgreiche Rückholaktion

Auch in Deutschland ist die Frage aufgekommen, ob der Bundespolizei-Chef rechtmäßig gehandelt hat. „Null Zweifel“ habe er, dass die Aktion von deutschen Gesetzen gedeckt gewesen sei, sagte SPD-Landesvize Lars Castellucci unserer Zeitung. „Da ist mal was gelungen: Staatliche Stellen haben sich als absolut handlungsfähig erwiesen – das finde ich ein wichtiges Zeichen in einer Zeit, wo wir ständig über etwas sprechen müssen, was nicht funktioniert.“ Der SPD-Fraktionssprecher für Migration und Integration mit dem Wahlkreis Rhein-Neckar gehört dem Bundestagsinnenausschuss an, wo Dieter Romann am Mittwoch gut eineinhalb Stunden lang Rede und Antwort stand. Auch der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesinnenministers, Stephan Mayer (CSU), würdigte dort den Einsatz des Behördenchefs und zeigte sich verwundert über die Kritik. Ob Minister Horst Seehofer vorab informiert wurde, blieb offen. Angeblich soll er von Romann erst aus Erbil heraus in Kenntnis gesetzt worden sein. Weitere Ministerien waren nicht eingebunden.

Ali B. soll erleichtert gewesen sein

Zu verdanken war die Festnahme nach Worten des Bundespolizei-Präsidenten im Innenausschuss seinem über Jahre aufgebauten Netzwerk in der Region Irak. Detailliert schilderte er, wie er Ali B. von den kurdischen Kräften in der Maschine übernommen hätte. Der 20-Jährige sei nach Schließung der Flugzeugtüren und der Abnahme der Fesseln geradezu erleichtert gewesen, in der Obhut deutscher Polizisten zu sein, weil ihm im Irak die Todesstrafe drohe.

Romann rechtfertigte seine Aktion nicht nur mit dem Bundespolizeigesetz, sondern auch mit dem Aufenthaltsgesetz-Paragrafen 71, Absatz 3 zur Rückführung von Ausländern aus anderen Staaten. Im Ausschuss gab es dazu Nachfragen, aber offenbar keine strittige Debatte. Auch das Bundesinnenministerium beteuerte am Mittwoch, dass alles rechtmäßig abgelaufen sei – es habe sich nicht um einen Auslandseinsatz der Bundespolizei gehandelt, sondern um eine Maßnahme zum Schutz der Luftsicherheit.

Karlsruher Anwalt stellt Strafanzeige

Der Karlsruher Rechtsanwalt Daniel Sprafke, Strafverteidiger von Ali B., sieht dies völlig anders; er hat bei der Generalstaatsanwaltschaft in Brandenburg „Strafanzeige wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung zum Nachteil des Ali B. erstattet“. Er sehe Anhaltspunkte dafür, dass Romann „aus eigenem Antrieb und ohne richterliche Entscheidung den Verdächtigen im Kriminalfall Susanna nach Deutschland verbracht haben könnte“, schreibt Sprafke auf seiner Website. „Deutsche Sicherheitsbehörden haben kein Recht, ohne gesetzliche Grundlage Menschen festzunehmen und diese gegen ihren Willen in ein anderes Land zu verschleppen.“ Die Verschleppung von Beschuldigten ins Inland sei „ein mehr als gravierender Angriff auf den Rechtsstaat“. Ein faires Verfahren müsse ausschließlich der Justiz überlassen bleiben.