Seit fast einem Jahr amtiert Frank-Walter Steinmeier in Schloss Bellevue. Als Bundespräsident hat er Höhen und Tiefen erlebt. Einen vorausschauenden Blick auf sein eigenes Ende konnte er übrigens auch schon werfen.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Am Montag jährt sich Frank-Walter Steinmeiers Aufstieg zum Staatsoberhaupt zum ersten Mal. Eine Übersicht über seine wichtigsten Stationen.

 

Eine Punktlandung

Das gute Dutzend Touristen, das am Tag der Kanzlerwahl vor dem Schloss Bellevue ausharrt, um Angela Merkels Limousine vorfahren zu sehen, nickt verständig. „Steinmeier“, so hat es der Fremdenführer gerade erklärt, „det ist der Mann mit den weißen Haaren und der Brille im Jesicht.“ Vorstellen musste man das Staatsoberhaupt eigentlich schon zum Amtsantritt vor einem Jahr niemandem mehr, weil er als langjähriger Außenminister schon einen sehr hohen Bekanntheitsgrad hatte. Aber natürlich hat das zwölfte Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland trotzdem die amtsübliche Antrittsreise durch die sechzehn Bundesländer absolviert. Mit Ach und Krach schafft er das in seinem ersten Jahr als Staatsoberhaupt. Am 19. März beginnt sein zweitägiger Antrittsbesuch in Rheinland-Pfalz – ein Jahr und einen Tag, nachdem er in die Schuhe des ersten Mannes im Staate geschlüpft ist.

Die größte Herausforderung

Dass Steinmeier die Deutschlandtour nicht schneller schaffte, lag an der größten Aufgabe, die er in diesem Jahr zu bewältigen hatte. Weil im November die Jamaika-Gespräche platzten, verschob er seinen Besuch in Nordrhein-Westfalen und knöpfte sich in Berlin die im Bundestag vertretenen Parteien vor. Eindringlich mahnte er damals, dass sie die ihnen bei der Bundestagswahl übertragene Verantwortung jetzt nicht einfach an die Wähler zurückgeben könnten. Ohne Steinmeiers Ordnungsruf hätte die SPD ihre Absage an eine neue Koalition mit der Union sicher nicht revidiert. Dass 171 Tage nach der Wahl im September eine neue große Koalition jetzt die Regierungsgeschäfte aufnahm, ist also auch sein Verdienst – und sein Risiko. Im Moment dominiert die Erleichterung, dass endlich wieder demokratische Normalität in Berlin herrscht. Das wird auch Steinmeier zugutegehalten. Aber falls die große Koalition endlos streitet oder an ihren eigenen Projekten scheitert, wird es ihm auch angekreidet werden. Deshalb will er für die Vaterschaft der neuen Groko nicht in Haft genommen werden. Bei seiner Ansprache zur Ernennung der neuen Minister war das Staatsoberhaupt deshalb sorgfältig auf Balance bedacht: Zwar zollte er der großen Koalition Respekt für ihre Bereitschaft, Verantwortung in der Demokratie zu übernehmen. Aber die Verantwortung einer Vaterschaft will Steinmeier für die neue Regierung nicht übernehmen. Er sieht die Koalition auch in der Bewährungsprobe, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. „Ein schlichter Neuaufguss des Alten wird nicht genügen“, so der Präsident.

Die traurigste Routine

Bei traurigen Anlässen das Beileid der Bundesrepublik auszudrücken, gehört zu den Basisaufgaben des Bundespräsidenten. Zum ersten Mal hat Steinmeier mit dieser Pflicht drei Tage nach Amtsantritt Bekanntschaft gemacht. Damals hat der Terror in London zugeschlagen. Später kamen Anschläge in Sankt Petersburg, Manchester, Spanien und den USA hinzu.

Der unbeschwerteste Besuch

Dass der Mann, der als Außenminister mehrmals um den Globus gejettet ist, auch als Präsident nicht zum Stubenhocker werden würde, war klar. Das gebietet sich für den Präsidenten, dem die Außenvertretung der wichtigsten Mittelmacht Europas obliegt. Und es passt auch gut zu dem Volk, das quasi seit Menschengedenken als Reiseweltmeister gilt. Eine stattliche Zahl von Auslandsreisen hat der Bundespräsident im ersten Jahr absolviert. Der Besuch in Paris und wenig später die Visite beim Europäischen Parlament in Straßburg machten den Auftakt. Jerusalem, Moskau, Griechenland, das Baltikum, Polen, Afghanistan, Australien und viele andere Länder folgten. Die wahrscheinlich unbeschwerteste Reise kann der Besuch in Südkorea zur Eröffnung der Olympischen Winterspiele gewesen sein. Als Steinmeier am Tag danach das Training der deutschen Eishockeynationalmannschaft besuchte, bewies er ein gutes Sport-Näschen. Damals konnte er schließlich noch nicht wissen, dass die deutschen Athleten in Pjöngjang insgesamt 31 Medaillen holen würden, einschließlich der Silbermedaille im Eishockey.

Der Blick in die eigene Zukunft

Wie Bundespräsidenten in Deutschland enden, davon hat Steinmeier sich vor ein paar Wochen auch schon einen persönlichen Eindruck verschaffen können: Als Bronzekopf im Präsidialamt werden sie nach dem Ende ihrer Amtszeit verewigt. Eine Glaskugel oder die Hilfe einer Wahrsagerin hat Steinmeier dazu nicht gebraucht. Am 22. Februar hat er die Büste seines Vorvorgängers Christian Wulff in Berlin enthüllt.