Wegen Unregelmäßigkeiten hat die FPÖ mit ihrem unterlegenen Kandidaten Norbert Hofer die Wahl des österreichischen Bundespräsidenten angefochten.

Wien - Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), ihr unterlegener Kandidat Norbert Hofer und ein anonymer Bürger haben das Ergebnis der Bundespräsidentenwahl angefochten. Am 22. Mai war Alexander van der Bellen von den Grünen mit weniger als 31 000 Stimmen Vorsprung als Sieger aus der Stichwahl hervorgegangen. Ohne eine „Unzahl von Unregelmäßigkeiten“, so der FPÖ-Vorsitzende Heinz-Christian Strache, „hätte Norbert Hofer Präsident werden können“. Das Verfassungsgericht muss über den Einspruch bis zum 6. Juli. Für zwei Tage danach ist die Amtseinführung van der Bellens angesetzt.

 

Im Zentrum der Vorwürfe in dem 150-seitigen Schriftsatz, den der frühere FPÖ-Justizminister Dieter Böhmdorfer verfasst hat, steht die Briefwahl. In der FPÖ waren in den letzten Tagen Stimmen laut geworden, nach denen es noch in der Wahlnacht zu einer „wundersamen Vermehrung“ der Briefwahlstimmen gekommen sei.

Tatsächlich hatte der Wahlleiter in der Nacht 738 000 eingegangene Stimmen gemeldet. Im Endergebnis finden sich dann aber deren 766 000 – eine Marge knapp unterhalb der Stimmendifferenz zwischen beiden Kandidaten.

Wahlkarten, Wahlkreise, Wahllokale

Hintergrund ist ein vertracktes Wahlrecht. Wer in Österreich eine sogenannte „Wahlkarte“ beantragt hat, kann seinen Stimmzettel entweder per Post verschicken oder seine Stimme bis zur Verschließung der letzten Urnen am Sonntag um 17 Uhr in einem beliebigen Wahllokal abgeben. Per Post verschickte Briefwahlstimmen werden nach Schließung der Wahllokale zunächst nur gezählt. Geöffnet werden sie erst am Montagmorgen um 9 Uhr.

Der Grund für dieses Vorgehen ist durchaus von praktischer Natur: Stimmen, die nicht per Briefzusendung, sondern persönlich in einem anderen Wahllokal abgegeben werden, kommen üblicherweise per Transport vor der Auszählung zu der Bezirksbehörde, welche die Wahlkarte ausgegeben hat. Erst dort werden diese dann ausgezählt. Bei der Bundespräsidentenwahl allerdings, bei der es keine Wahlkreise gibt und entsprechend alle Stimmzettel in der Republik gleich aussehen, ist das nicht nötig. Offenbar haben viele Wahlbehörden die Stimmen von Ortsfremden, die bei ihnen abgegeben wurden, trotzdem weitergeschickt.

Wer wann Wahlzettel auszählen darf

Schwerer wiegt der Vorwurf, dass in vier Kärntner und einem steirischen Wahlbezirk Briefwahlstimmen offenbar schon ausgezählt wurden, bevor die paritätisch besetzte Wahlkommission zusammengetreten war. In der Südoststeiermark sagten FPÖ-Vertreter aus, ihnen sei der Zutritt zur Auszählung verwehrt worden, und um 9 Uhr hätten sie schon fertig sortierte Stimmzettel vorgefunden.

Das Verfassungsgericht kann, wenn es die Vorwürfe für zutreffend hält, sowohl die ganze Wahl auch als Teile davon wiederholen lassen. Eine Teilwiederholung kommt nur in Frage, wenn das Teilergebnis wenigstens theoretisch das Gesamtergebnis umdrehen könnte. Das ist bei den beschriebenen Unregelmäßigkeiten aber nicht der Fall.

Wie schon bei früheren Urnengängen war das Ergebnis der FPÖ bei der Briefwahl erheblich schlechter ausgefallen als in den Wahllokalen. Und mit 17 Prozent lag die Anzahl der Briefwahlstimmen höher als je zuvor. Per Post hatten 62 Prozent van der Bellen gewählt, an der Urne allerdings nur 48 Prozent. Schon nach der Erfahrung früherer Wahlen tritt die FPÖ für die Abschaffung der Briefwahl ein.