Dem Bundespräsidenten ist eine zweite Amtszeit so gut wie sicher. Auch die Grünen sprechen sich jetzt für ihn aus, obwohl sie gerne eine Frau an der Spitze des Staates sehen würden. Bei der CDU zeichnet sich ebenfalls Unterstützung ab.

Berlin - Politik hat viel mit Taktieren zu tun und manchmal auch mit Zocken. Selbst Präsidenten können sich davon nicht immer freimachen. Das konnte man Ende Mai vergangenen Jahres beobachten: Da lud Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sehr kurzfristig zu einem Statement ins Schloss Bellevue ein.

 

Steinmeier sagte damals, er bewerbe sich um eine zweite Amtszeit. Das war geradezu dreist, denn ein Sieg seiner Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl im Herbst erschien ehedem so wahrscheinlich wie ein Kometeneinschlag in Berlin-Mitte. Steinmeier setzte offenkundig darauf, im Spiel zu bleiben, indem er früh genug Ansprüche formulierte. „Ich weiß, dass ich nicht von vornherein auf eine Mehrheit in der Bundesversammlung bauen kann. Aber ich trete nicht aus Bequemlichkeit an, sondern aus Überzeugung.“ Er sagte auch, er wolle das Land auf dem Weg in die Zukunft begleiten. Die Coronapandemie habe tiefe Wunden geschlagen, und er wolle helfen, diese zu heilen.

Zocken hat sich am Ende ausgezahlt

Wie gesagt, das war im Frühjahr 2021. Heute kann man festhalten: Steinmeiers Zocken hat sich ausgezahlt. Am 13. Februar wird in Berlin die Bundesversammlung zusammentreten. Seit Dienstag ist klar, dass Steinmeier dort eine Mehrheit für seine Wiederwahl in Aussicht hat. Als letzte der drei Ampelparteien kündigten die Grünen offiziell an, ihn unterstützen zu wollen.

„Frank-Walter Steinmeier ist ein sehr guter und hoch angesehener Bundespräsident, der sich in seiner ersten Amtszeit große Verdienste um unser Land erworben hat“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Vorsitzenden von Partei und Fraktion. „Insbesondere seiner starken Stimme für den demokratischen Zusammenhalt gebühren unser Respekt und unsere Unterstützung. Wir sind überzeugt, dass er unserer Gesellschaft auf dem schwierigen Weg aus der Pandemie weiter Halt und Orientierung geben wird.“ Man werde den grünen Wahlleuten in der Bundesversammlung deshalb empfehlen, Steinmeier die Stimme zu geben.

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SPD und FDP hatten bereits vorher deutlich gemacht, dass sie eine zweite Amtszeit des amtierenden Staatsoberhaupts wünschen. Gemeinsam verfügen die drei Koalitionspartner über eine absolute Mehrheit in der Bundesversammlung. Das heißt, dass Steinmeier bereits im ersten Wahlgang gewählt werden könnte. Die Amtszeit des Bundespräsidenten beträgt fünf Jahre.

Frank-Walter Steinmeier, der an diesem Mittwoch 66 Jahre alt wird, ist der zwölfte Präsident seit der Gründung der Bundesrepublik. Bisher waren alle Amtsinhaber Männer. Und das ist ein wichtiger Grund dafür, warum sich der promovierte Jurist, der seit 1995 mit der Verwaltungsrichterin Elke Büdenbender verheiratet ist, auch nach dem Sieg der SPD bei der Bundestagswahl nicht sicher sein konnte, ob ihm ein zweites Mandat vergönnt sein würde. Seine Amtsführung ist über jeden Zweifel erhaben. Steinmeier genießt parteiübergreifend großes Ansehen und gehört zu den beliebtesten Politikern im Land.

Schickt die Union eine eigene Kandidatin ins Rennen?

Aber es ist offenkundig, dass es eigentlich an der Zeit wäre, das höchste Amt im Staate erstmals mit einer Frau zu besetzen. Das sehen nicht nur die Grünen so, die seit je die Fahne des Feminismus hochhalten. Jetzt zierten sie sich ein bisschen und unterwerfen sich doch der Koalitionsdisziplin. Würden sie Steinmeier die Unterstützung verwehren, wäre dies eine schwere Bürde für das neue Regierungsbündnis.

Auch an anderer Stelle in Politik und Gesellschaft ist immer wieder zu hören, dass endlich eine Frau ins Schloss Bellevue einziehen solle. In der Union, wo ansonsten Frauen in der Führungsriege stark unterrepräsentiert sind, waren Forderungen laut geworden, eine eigene Kandidatin gegen Steinmeier ins Rennen zu schicken. Allerdings wurde bei den Christdemokraten vor einer Videoschalte am Mittwochmorgen Unterstützung in der Parteiführung für Steinmeier signalisiert. Tenor in der CDU-Führung sei demnach, dass es Zufriedenheit mit der Amtsführung Steinmeiers gebe.

Kein Wort im Koalitionsvertrag

Vor fünf Jahren hatte die damalige große Koalition aus Union und SPD den einstigen Außenminister und Chef des Bundeskanzleramts ins Amt gewählt – und zwar als Nachfolger Joachim Gaucks, der aus Altersgründen nicht für eine zweite Amtszeit zur Verfügung stand. Auch die Liberalen und die Grünen stimmten 2017 in der Bundesversammlung für Steinmeier. Grundsätzlich ist es so, dass sich das Amt des Bundespräsidenten nur bedingt für parteipolitische Spielchen eignet. In ihrem Koalitionsvertrag verlieren SPD, Grüne und FDP kein Wort darüber, wie es an der Staatsspitze weitergehen soll. Aber man kann getrost davon ausgehen, dass die Personalie während der Verhandlungen im Raum stand und informeller Teil der Absprachen wurde, auf die sich die drei Partner Ende November verständigten.

Einen wichtigen Hinweis darauf, dass es so kommen könnte, hatte es bereits in der zweiten Oktoberhälfte gegeben: Ehedem nominierte die SPD als stärkste Kraft im Bundestag die weithin unbekannte Gesundheitspolitikerin Bärbel Bas als neue Parlamentspräsidentin. Das ist das zweithöchste Amt im Staate nach dem Bundespräsidenten und vor dem Kanzler. Die Besetzung aller drei Posten mit Männern wäre kaum zu vermitteln gewesen. Bas’ Nominierung und ihre anschließende Wahl durch die Abgeordneten bedeutete aber auch, dass der Druck nachlassen würde, eine Frau zum Staatsoberhaupt zu machen.