Die Vorfreude ist vielerorts groß – ob es tatsächlich ab Juni günstige Monatsfahrkarten gibt, entscheidet sich Freitag im Bundesrat. Denn die Geldforderungen der Länder hat die Ampelregierung bisher abgelehnt.

Die Vorarbeiten sind weitgehend abgeschlossen, nächste Woche soll in manchen Verkehrsverbünden der Vorverkauf beginnen, im Stuttgarter VVS ist die Karte schon seit dem 13. Mai erhältlich. Als Teil des Energiepreisentlastungspakets hatte die Bundesregierung beschlossen, im Juni, Juli und August Monatstickets für neun Euro anzubieten. Das soll nicht nur ÖPNV-Nutzern helfen, mit den allseits gestiegenen Lebenshaltungskosten zurechtzukommen. Erklärtes Ziel ist auch, neue Kunden zu gewinnen. Am Donnerstag wird der Bundestag das entsprechenden Gesetz verabschieden, das auch die Finanzierung über die sogenannten Regionalisierungsmittel regelt. Am Dienstag stimmte der Verkehrsausschuss zu – übrigens gegen die Stimmen von AfD und Union.

 

Trotzdem ist immer noch nicht klar, ob das Ticket kommt. Das entscheidet sich am Freitag im Bundesrat. Der öffentliche Druck ist hoch, eine Mehrheit aber noch keineswegs sicher. Die Länder fordern mehr Geld vom Bund. Im Gesetz sind 2,5 Milliarden Euro vorgesehen für die Differenz zum monatlichen Normalpreis. Zusätzlich sollen für den sogenannten ÖPNV-Schutzschirm, der coronabedingte Einnahmeausfälle und gestiegene Energiekosten ausgleicht, noch einmal 1,2 Milliarden Euro fließen.

Kretschmann will kein „Strohfeuer“

Die Länder argumentieren, dass im Ampelkoalitionsvertrag auch die Finanzierung struktureller Verbesserungen im Nahverkehrs versprochen wurden. „Wir wünschen dem Ticket Erfolg, aber die grundsätzlichen Probleme des ÖPNV sind dadurch nicht gelöst“, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag: „Es hat keinen Sinn, ein Strohfeuer zu entfachen, und nachher bricht es wieder ein.“ Ohne mehr Geld, so die Befürchtung der Landesregierung, könnte es nach dem supergünstigen Sommer zu saftigen Tariferhöhungen kommen. Auch Sachsen fordert Nachbesserungen. Beide Länder ließen daher ihr Abstimmungsverhalten am Freitag offen. Es werde, so Kretschmann, „sicher bis zum Schluss verhandelt“.

Am Gesetz selbst ist nach der Zustimmung des Verkehrsausschusses aber praktisch nichts mehr zu machen. Bernd Reuther, der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, verteidigt denn auch die bisher vereinbarten Zuschüsse für das 9-Euro-Ticket: „Durch die Erhöhung der Regionalisierungsmittel kann die Umsetzung des vergünstigten Tickets finanziert und umgesetzt werden.“ Es müsse jetzt darum gehen, die Bürgerinnen und Bürger „unmittelbar zu entlasten“. Auch seine SPD-Kollegin Dorothee Martin hofft, dass dieser Teil des Entlastungspakets „nun schnell seine Wirkung entfalten“ kann und „sich alle Länder ihrer großen Verantwortung bewusst sind“. Ein Scheitern könne „nicht im Interesse der Verkehrsunternehmen und deren Kundinnen und Kunden sein“. Zudem würde dann der ÖPNV-Rettungsschirm „ebenfalls platzen“.

Kompromiss im Protokoll?

Bewegung gibt es dennoch – schließlich existiert die Zusage der Ampel, den Nahverkehr im Sinne des Klimaschutzes deutlich zu stärken. „Wir werden selbstverständlich zeitnah im Rahmen des ÖPNV-Pakts mit den Ländern über strukturelle Fragen und Lösungen zur nachhaltigeren ÖPNV-Finanzierung diskutieren“, so die Sozialdemokratin Martin weiter, „aber nicht im Zusammenhang mit dem aktuellen Entlastungspaket.“

So oder ähnlich könnte das nach der Bundesratssitzung am Freitag in einer Protokollerklärung der Bundesregierung stehen, über die nach Informationen unserer Zeitung gerade verhandelt wird. Die Ampel würde demnach zusagen, mehr Geld für den Nahverkehr im Haushalt 2023 zu verankern, dessen erster Entwurf im September beraten wird.

Für die Verzögerung wiederum hat Bernd Riexinger als verkehrspolitischer Sprecher der Linken kein Verständnis. Schon jetzt zeige die Ticketnachfrage, „wie sehr eine Vergünstigung des Nahverkehrs einen Umstieg vom privat genutzten Auto hin zu Bus und Bahn befördert“. Seine Partei fordert, das 9-Euro-Ticket bis Jahresende auszudehnen.