Seit gut einer Woche hat die Bundesregierung eine Facebookseite. Sie kriegt dafür viel Lob, muss aber auch mit harschen Nutzerkommentaren zurechtkommen. Und mit der Frage, warum sie erst jetzt bei Facebook ist.

Berlin - Mit einer Videobotschaft heißt Regierungssprecher Steffen Seibert Besucher des neuen Facebook-Auftritts der Bundesregierung willkommen. Sachliche 90 Sekunden gibt er sich, um den Nutzern zu erklären, weshalb die Regierung seit dem vergangenen Freitag auch Präsenz im weltweit bedeutendsten sozialen Netzwerk zeigt. Dass es dort auf knappe, klar verständliche Botschaften ankommt, weiß der Chef des Bundespresseamts nur zu gut. Seit vier Jahren twittert Seibert als Regierungssprecher, doppelt so lang ist die Bundesregierung bei Youtube vertreten.

 
 


Warum geht die Regierung erst jetzt auf Facebook? „Wir haben [diesen Schritt] nicht übertrieben früh gemacht, aber wir haben ihn gemacht“, räumte Seibert bei einer Pressekonferenz am Montag ein. Unvermeidlich, dass die ersten Nutzerkommentare das Wort Neuland enthalten – das Merkel-Zitat, wir erinnern uns.

Natürlich ist Social Media für das Bundespresseamt kein Neuland. Seiberts Social-Media-Redaktion lässt sich in den Tagen nach dem Facebook-Start also auch nicht von den zahlreichen Nutzerkommentaren überraschen, „die sich im Ton etwas rauer anhören“. Besonders schwere Fälle werden gelöscht – und womöglich an die Ermittlungsbehörden weitergeleitet, so das Bundespresseamt auf StZ-Anfrage. Ein Bericht der Nachrichtenagentur dpa nennt die Leugnung des Holocausts als ein Beispiel.

Die Regierungs-Netiquette

Im Großen und Ganzen ist das Feedback für die neue Seite positiv – nicht nur in den Medien, sondern auch bei den Nutzern selbst. Der Redaktion gelang zum Start eine souveräne, bisweilen elegante Moderation. Sie verweist regelmäßig auf eine selbst formulierte, bei Facebook hinterlegte Netiquette. Darin wird zwar vom Gebrauch von Ironie abgeraten.

Eine der gelungensten Antworten macht dann aber Gebrauch von genau diesem Stilmittel. Der User Oliver Fontolan fragt: „Barack Obama hat doch schon eine Seite, wozu dann diese?“ Die Redaktion kontert mit einem augenzwinkernden „irgendjemand muss ja die Inhalte aus dem Englischen übersetzen“.

Und die User? Loben das „schöne Propagandabüro“ und bringen den Orwell-Vergleich: die Seite erinnere an das in „1984“ beschriebene Ministerium für Wahrheit („Miniwahr“). Ein Nutzer fragt, ob es sich hier um Satire handele, ein anderer übermittelt „Grüße an Oma“. Eine Nutzerin gesteht gar: „Ich bin in Steffen Seibert verliebt.“ Das entspricht dann wohl schon eher dem respektvollen Umgang miteinander, den der Regierungssprecher sich gewünscht hatte.

Wie gut ist diese Seite gemacht?

Doch wie steht es um die anderen Ziele, die die Bundesregierung auf Facebook verfolgt, also Nähe und Aktualität, Medien- und Themenvielfalt? Außerdem will sich das Bundespresseamt mit den Nutzern zu Inhalten austauschen, die der Community besonders wichtig sind. Wird es diesem Anspruch gerecht?

Die Social-Media-Redaktion antwortet eingehend, wenn auch nicht immer erschöpfend auf alle Kommentare, die ernsthafte Fragen beinhalten.

Die Facebook-Redakteure spielen auf der gesamten Klaviatur der Onlinekommunikation. Zum Besuch der Kanzlerin bei Papst Franziskus wurden zehn Beiträge veröffentlicht: teils kokette, oft plastische Fotos, Videos, Hintergrundinformationen. Nach der vollen Merkel-Breitseite zum Auftakt wurde das Spektrum erweitert, man berichtet über die Arbeit aller Ministerien.

In Stuttgart macht man es anders

Was die Bundesregierung anders macht als etwa die baden-württembergische Landesregierung: sie personalisiert nicht. Dabei ist das eigentlich der Königsweg, zumindest laut dem Politikberater und Blogger Martin Fuchs, auch bekannt durch seinen Blog „Hamburger Wahlbeobachter“. Erst im August lobte Fuchs die Landesregierung, die auf ihrer Facebookseite den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann für das gesamte Kabinett sprechen lässt.

Institutionen haben es bei Facebook immer schwerer als Personen, sagt Fuchs. Die Zahlen der Bundesregierung scheinen das zu bestätigen: Etwas mehr als 40.000 Abonnenten hat die Seite nach einer Woche. Zum Vergleich: Angela Merkel bedankte sich kürzlich für eine Million Facebook-Fans – und zwar schön persönlich mit einer handgeschriebenen Botschaft. Das gefiel 22.000 Nutzern.

 

Die Güte einer Facebookseite macht Fuchs aber nicht nur an der Zahl der Fans fest. Es geht auch um Interaktion mit den Nutzern. Und da sei die Seite der Bundesregierung „eine „neue Hausnummer“, lobt Fuchs: die Regierung begegne den Nutzern tatsächlich „auf Augenhöhe“. Fuchs gefällt zudem die prominent platzierte Netiquette. Außerdem seien Ziele und Zielgruppe klar definiert, das Konzept gut durchdacht. „Man findet auf der Facebookseite der Bunderegierung viele aufbereitete Informationen etwa in Form von Fotos, Videos oder Infografiken und fast alle Inhalte werden exklusiv für die Facebookseite erstellt“, lobt Fuchs.

Kritik, die Bundesregierung sei zu spät bei Facebook präsent, lässt Fuchs nicht gelten. Im Gegenteil sei es eine legitime Abwägung, ob ein weiterer Social-Media-Kanal überhaupt nötig sei.

Und was kostet der Spaß?

Diese Frage kann man natürlich auch mit Blick auf die Kosten stellen. Angela Merkels Facebookseite wird von der CDU-Bundesgeschäftsstelle betreut und ist inhaltlich wie finanziell Parteisache. Die Facebookseite der Bundesregierung hingegen wird vom Bundespresseamt betreut, und auch die Betreuung durch eine externe Agentur kostet Steuergeld. Wie viel Steuergeld? Das lässt sich laut Regierungssprecher Seibert erst sagen, „wenn wir eine Weile unterwegs gewesen sind“. Man habe im Bundespresseamt „natürlich ein paar Umstrukturierungen“ vorgenommen.

Martin Fuchs sagt, dass derzeit vier Vollzeitkräfte den Facebook-Auftritt der Bundesregierung betreuen. Seibert erklärt, wie viele Mitarbeiter man fest für Facebook abstelle, hänge davon ab, wie viel Arbeit zum Beispiel die Interaktion mit den Nutzern mache. Was wiederum davon abhängt, ob die Nutzer weiter so fleißig kommentieren wie bisher. „Wenn es so bleibt – wunderbar“, sagt Seibert.