Viel weniger Beschäftigte als früher genießen heute Tarifbezahlung und -schutz. Die Bundesregierung will das Ruder in Sachen Tarifbindung jetzt herumreißen.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die im Auftrag des Bundes tätig sind, sollen künftig generell unter dem Schutz eines Tarifvertrags arbeiten. „Unternehmen sollen ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern künftig, wenn sie öffentliche Aufträge und Konzessionen des Bundes ausführen, tarifvertragliche Arbeitsbedingungen gewähren müssen“, heißt es in einem Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt.

 

Heil erläuterte im ARD-Morgenmagazin, Tarifverträge brächten den Beschäftigten höhere Löhne als der Mindestlohn. „Durchschnittlich ist der Stundenlohn bei Tariflöhnen 4,50 Euro besser.“ Im Monat seien das für Vollzeit 700,50 Euro. Der Staat habe eine Vorbildfunktion. „Wir wollen, dass öffentliche Aufträge des Bundes – und so ist das in der Koalition vereinbart – an die Unternehmen gehen, die tariflich bezahlen.“ 

Heil gegen „Billigheimer“

In den meisten Bundesländern gebe es bereits entsprechende Regelungen. Diese dienten der Lohngerechtigkeit. Aber es helfe auch anständig zahlenden Unternehmen im Wettbewerb mit „Billigheimern“. Im Gesetzentwurf heißt es: „Der Verdrängungswettbewerb über die Lohn- und Personalkosten wird eingeschränkt.“

Mit dem Tariftreuegesetz sollen zudem Zugangsrechte von Gewerkschaften zum Betrieb gestärkt werden. „Die gesetzliche Regelung eines Zugangsrechts zur Mitgliederwerbung und Information einschließlich eines digitalen Zugangs soll die Möglichkeiten für Gewerkschaften verbessern, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der sich wandelnden Arbeitswelt zu erreichen“, so das geplante Gesetz, über das sich die Bundesregierung nun intern abstimmt.

FDP mahnt

Der FDP-Mittelstandspolitiker Carl-Julius Cronenberg mahnte: „Das Tariftreuegesetz darf in keinem Fall zu einer Bürokratiebelastung für den Mittelstand werden.“ Die FDP werde genau prüfen, dass kleine und mittlere Unternehmen nicht von Vergabeverfahren ausgeschlossen würden. Auch die Tarifautonomie müsse in jedem Fall erhalten bleiben. Heil erwartet Zustimmung der Liberalen: „Wir haben uns im Sommer verständigt, dass wir das Vergaberecht verändern wollen und auch Tariftreue kommen muss.“

Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi sagte, die Gewerkschaften hätten lange auf die wichtigen Signale für gute Arbeit gewartet, die Heil nun gegeben habe. „Jetzt muss die Bundesregierung ihr grundlegendes Versprechen zur Tariftreue schnell beschließen.“ Mit der Tariftreue öffentlicher Aufträge ende ein Teil des Dumpingwettbewerbs auf Kosten der Beschäftigten. „Sie erhalten bessere Löhne, mehr Urlaub und geregelte Arbeitszeiten.“

76 Prozent Tarifbindung - lange her

In der früheren Bundesrepublik galt 1998 für 76 Prozent der Beschäftigten ein Tarifvertrag. Die Reichweite von Tarifverträgen ist damit im Westen zwischen 1998 und 2023 um 25 Prozentpunkte gesunken. Vergangenes Jahr lag sie noch bei 51 Prozent. In Ostdeutschland galten 1998 für 63 Prozent der Beschäftigten Branchen- oder Firmentarifverträge. Bis 2023 ist dieser Anteil um 19 Prozentpunkte auf 44 Prozent gesunken.