Bundesstraße 27 Laien weisen Fachleuten den Weg

Erst herrscht Entsetzen – jetzt allgemeine Zufriedenheit. Anwohner dachten sich einen Verkehrsknoten vor dem geplanten B 27-Tunnel bei Tübingen aus und ernten Lob von allen Seiten.
Tübingen - Es kommt selten vor, dass Behördenvertreter, Bürger und Politiker gleichermaßen euphorisch von der Bürgerbeteiligung an einem Straßenbauprojekt reden. Doch genauso war die Stimmung bei der Abschlussveranstaltung zum „Bürgerdialog B 27“ im Tübinger Sudhaus. Die Teilnehmer aus der Bürgerschaft erarbeiteten in fünf Workshops Straßenbauvarianten, die eine höhere Chance zur Verwirklichung haben als die Planung des Regierungspräsidiums.
Die von Laien erdachte Variante. Foto:rpt
„Donnerwetter, Kompliment: die Variante der Bürger ist besser als die der Profis, sie verbraucht weniger Fläche und kostet sogar weniger“, lobte der Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). OB Boris Palmer (Grüne) sagte: „Ich bin von den Socken, dass das Regierungspräsidium einen Vorschlag aus der Bevölkerung für umsetzbar hält.“ Bei vielen Bürgerbeteiligung sei alles entschieden, bevor die Leute mitreden dürften, Mitbestimmung herrsche allenfalls bei der Farbe von Lärmschutzwänden. Regierungspräsident Hermann Strampfer war ebenfalls voll des Lobes und äußerte „großen Respekt vor den fachkundigen Vorschlägen“. So könne das Vertrauen in den Staat wachsen. Er berichtete von 3200 Arbeitsstunden, die seine Mitarbeiter in den Dialog und die Ausarbeitung der Ergebnisse gesteckt hätten. Ohne zusätzliches Personal sei das nur selten möglich, dämpfte Strampfer aber Hoffnungen auf den Vorbildcharakter der Sache.
Autobahnkreuz vor Tübingen
Es geht um kein kleines Projekt, sondern um den künftigen Tunnel durch das Naherholungsgebiet Schindhau, eine von der gesamten Region Neckar-Alb erhoffte Ortsumgehung von Tübingen. Über den Bau des mit 203,7 Millionen Euro veranschlagten Tunnels herrscht vor Ort Einigkeit. Vor einem Jahr legte das Regierungspräsidium Pläne für die Anschlüsse im Süden und Norden der Stadt vor. Das Ausmaß der Auffahrten erschreckte die Öffentlichkeit. Von „Monsterknoten“ und „Autobahnkreuz“ war die Rede. Dem Verkehr war zwar Rechnung getragen worden, auch dem Schallschutz des angrenzenden Französischen Viertels, nicht aber städtebaulichen Aspekten. Über drei Ebenen hinweg und auf vielen Rampen kreist nach diesem Plan der Verkehr durch die Neckaraue. „Wir haben es hingenommen, es lässt sich wohl nicht anders machen“, beschrieb Palmer die damalige Stimmung im Gemeinderat. Der Verkehrsminister erklärte früh: „Das werde ich nie genehmigen.“
„Wir redeten auf Augenhöhe“
Seit Mitte 2012 setzten sich Vertreter von Bürgerinitiativen mit Experten des Regierungspräsidiums zusammen. Die hörten genau zu. Wenn aus Reihen der Bürger Skizzen präsentiert wurden, waren die bis zum nächsten Treffen von der Behörde zu anschaulichen Darstellungen ausgearbeitet worden. Von einer „neuen Erfahrung“ spricht eine BI-Vertreterin, „wir redeten auf Augenhöhe“. Fehlendes Fachwissen sei durch die andere Perspektive der Anwohner aufgewogen worden. Alle Beteiligten berichteten von einer sehr guten, konstruktiven Atmosphäre. Die jetzt so gelobte Variante für das „Tübinger Kreuz“ sieht vor, dass die bestehenden Trassen von B 27 und B 28 zu weiten Teilen weiter genutzt werden. Es entstehen weniger Ebenen und mehr zusammenhängende Grünflächen. Mittlerweile sind sämtliche verkehrlichen Aufgabenstellungen gelöst. Für den Immissions- und Schallschutz wurden Kompromisse gefunden. Nun geht es vor der letzten Entscheidung um eine Ausarbeitung im Detail. Beim „Südknoten“ auf der anderen Seite des Tunnels hat sich die einfachere Variante der Bürger bereits durchgesetzt.
Wann wird tatsächlich gebaut? Experten rechnen mit bis zu zehn Jahren für die Planung und mindestens sechs Jahren Bauzeit für das Projekt, über das in Tübingen seit Jahrzehnten diskutiert wird. Auch das Geld steht noch lange nicht bereit.
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